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das Ehegericht der weltlichen, natürlichen, christlichen Obrigkeit zugesprochen. Es lag aber hierin keine Nöthigung, indem auch nicht verwehrt war, den Bischöfen, wo sie recht richteten, Gehorsam zu leisten. Man hat hernach in der protestantischen Kirche die Ehegerichte – freilich unter dem Summepiscopat der Fürsten oder gar als Ausfluß ihrer weltlichen Herrlichkeit – den geistlichen Gerichten zugesprochen, und dennoch die schmalkaldischen Artikel mit quia unterschrieben. Natürlich, man nahm aus den schmalkaldischen Artikeln heraus, was nicht dortsteht, was aber der einfache Sinn des zwiefältigen Inhalts ist, daß innerhalb der Christenheit beides erlaubt sei, vor geistlichem, vor weltlichem, (ja gar vor gemischtem[1] Gerichte über Ehesachen zu verhandeln.




 Es finden sich in den schmalkaldischen Artikeln noch manche andere Stellen (p. 332. ff. über Matth. 16, 18., 322. etc. über Cornelius, 323. über 2. Petr. 1, 21.) die einen Augenblick befremden können. Je einfacher, treuer, eingehender aber man die schmalkaldischen Artikel liest, desto mehr stimmt man bei. Ein nicht bloß oberflächlicher Leser kann am Ende auch p. 334. die schöne Deutung von der Dornenkrone Christi unterschreiben. Man unterschreibt eben im Sinne der symbolischen Bücher selber, und die Unterschrift gilt einem jeden Satz in der Geltung, die er gewisser Maßen sich selbst nach dem Sinne der Schriftsteller beilegt. So unterzeichnet man denn auch als Bekenntnis das, was bekennend gesagt ist.




 Dies alles habe ich allein in der Absicht geschrieben, um meine obige Behauptung zu bestätigen, daß ich nicht abergläubig am Buchstaben der Symbole hänge, daß ich unterscheide, und zwar nicht blos das, was im Concordienbuche bekennend gesagt ist, von dem, was nicht also gesagt ist. Hier kehre ich nun zu dem von Pfarrer Kraußold als Luftstreich angegriffenen Satze zurück. Es ist nemlich allerdings ein Unterschied zwischen dem Satze:

„Ich nehme in den Bekenntnissen das Bekenntnis an“,
 und zwischen dem:
„Ich nehme an, was in den Bekenntnisschriften bekennend
 (bekenntnisweise) gesagt ist“.

 Jener Satz ist bei weitem vieldeutiger, als dieser. Er sagt ja nicht, was in den Bekenntnissen Bekenntnis ist; er überläßt es am Ende immer dem gerade lebenden Geschlecht, oder gar den bekennenden Individuen, nach eigenem Ermeßen herauszusuchen, was Bekenntnis sein soll. Der zweite Satz will nichts vom eigenen Ermeßen der jeweiligen Bekenner wißen; er nimmt als Bekenntnis an, was die ersten Bekenner als Bekenntnis gaben. – Sollte der, irre ich nicht, von Pfarrer Kraußold selbst öfter gemachte Vorschlag, für die Gemeinden


  1. Die Consistorien heißen z. B. bei Hartmann: judicia ecclesiastica magistratus territorialis. Hier ist doch der Begriff gemischt?
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/71&oldid=- (Version vom 1.8.2018)