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dieser Faßung zu widerstreben scheinen (p. 308.: „Der rechte Endechrist oder Widerchrist, ipsum verum antichristum“). Und doch kann man nicht anders; man muß hier „ein“ setzen statt „der“. Hebt nun das das quia auf? Schwerlich. Alles, was Luther über den Pabst sagt, ist schriftmäßig, man kann alles mit quia unterschreiben. Das „der“ aber, wo es hervorzutreten scheint in voller Kraft des bestimmten Artikels, kann doch nichts anderes sein, als eine Hyperbel, welche der Zeit und Luthers Verhältnis zum Pabste zuzuschreiben ist. Man wird sie im Einklang mit der Apologie (p. 209.) faßen müßen, welche das Pabstthum „ein Stück vom Reich Antichrist! (pars regni antichristi)“ nennt. – Aus dem Verhältnis beider Stellen wird wohl einiger Maßen erhellen, was ich oben einmal von gewissen einseitigen, sich einander beschränkenden und ergänzenden Stellen der Symbole und von Artikeln sagte, die im Streite der Kirche nicht völlig erledigt sind. In diesem Sinne habe ich öfters vom rechtverstandenen quia gesprochen.




 Aehnlich ist es mit einigen andern Stellen der schmalkaldischen Artikel, in welchen – z. B. p. 333, 341. f. – behauptet wird, daß Christus die Schlüßel nicht einer Person, sondern der Kirche gegeben habe, daß sich eine Kirche im Nothfall Bischöfe oder Pfarrer setzen könne. Nimmt man diese Stellen einseitig, so kommt man in Verlegenheit, denn Christus hat die Schlüßel wirklich auch einzelnen Personen gegeben und Paulus setzt nicht bloß selbst Aelteste, sondern er befiehlt es auch seinen Schülern. Allein für jene Stellen ist denn doch nur der äußerste Nothfall anzunehmen, wo die Kirche ohne Pfarrer zu denken wäre. So lange Pfarrer zu ihr gehören und zu haben sind, gelten die andern Stellen, in welchen den Pfarrern die bischöfliche Gewalt und in ihr auch die potestas clavium und die Ordination zugeschrieben wird (p. 340, 60. ff.) Vereinigt man die betreffenden Stellen, so kommt erst eine völlige Wahrheit heraus. Denn weder wird jemand auf Grund der h. Schrift im äußersten – kaum eintretenden Falle – der Kirche ohne Pfarrer die erwähnte Befugnis absprechen; noch wird jemand ihr dieselbe ohne das zur Kirche gehörige Presbyterium zugestehen, wenn und so lange eins da ist. Ich habe theils im Catechismus apostolischen Lebens, theils in den Aphorismen das richtige Verhältnis der beiderlei Stellen zu erfaßen gesucht. – Gerade so ist es mit einigen andern Stellen der schmalkaldischen Artikel. Die Stelle p. 308. bekennt sich zu Cyprians Grundsätzen vom Bisthum (nur daß sie es nicht als juris divini anerkennen kann); p. 340, 61. f., 342, 74. ist die Identität der Bischöfe und Presbyter nachgewiesen; p. 331 findet sich eine Beziehung auf rechte, apostolische Bischofswahl. Keine Stelle allein, aber alle zusammen geben die Wahrheit und Eine liebliche und heilige Lehre. Keine allein, aber alle zusammen unterschreibt man leichten Herzens.[1]




 Ein drittes, hiehergehöriges Beispiel aus den schmalkaldischen Artikeln ist folgendes, p. 343, 77. wird nach Luthers bekannten Ansichten die Ehegesetzgebung und


  1. Vergleiche in Anbetracht dieses wichtigen Punktes die am Ende dieser Schrift gedruckte „Zugabe“.
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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/70&oldid=- (Version vom 1.8.2018)