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So blind war weder ich, noch einer von meinen mir bekannten Freunden, daß wir nicht gesehen hätten, was Gott seit Jahrzehnten an der bayerischen Kirche gethan, wie er auch die kirchliche Richtung emporgebracht hatte. Wurden doch diejenigen, welche vor 10 Jahren noch ein verachtetes Häuflein genannt wurden, jetzt zuweilen die herrschende Partei genannt, – ein Urtheil, das, unwahr wie es ist, doch Zeugnis gab von der innern Stärke und der Achtung nach außen hin, welche die Partei genoß. Nun aber schien es, als sei man auf dem Punkte, wo man nur vorwärts oder rückwärts gehen konnte. Der Generalsynode schien Großes in die Hand gelegt. Wie sie es damals machte, so konnte sie es haben und mit ihr die Landeskirche. Eine ernste Zeit für innerlich beschwerte und bedrängte Geistliche, welche ihre Lage innerhalb der Landeskirche dahin gebracht, einen Bruch, wenn auch nicht zu machen, doch gar nicht für Unglück zu erachten! Die Wichtigkeit des Augenblickes und unsre Lage machte uns dringend. Haben wir den Augenblick überschätzt und darum falsch gehandelt? – Wohl, wenn die Synode ihre Zeit und Stunde nicht verkannt, sondern gethan hat, wozu die Macht und Gelegenheit in ihrer Hand lag!

 Weil übrigens von Mistrauen die Rede gewesen, so erlaube man mir eine kleine Abschweifung. Auch den Subscribenten der Petition, von der wir sprechen, begegnete Mistrauen und mehr. Ich sage das nicht, als hätten wir armes Häuflein Pfarrer und Laien große Verwunderung, daß man uns mistraute. Was liegt daran? Ich knüpfe bloß an. Es wurde nemlich geäußert, die mehrerwähnte Petition wäre deshalb nicht so schnell vor die Synode gebracht worden, als es sonst wohl möglich gewesen, weil man geglaubt hätte, die Namen der Subscribenten würden keinen guten Eindruck gemacht haben. Wir kennen das und nehmens im Frieden hin. Aber das meine ich. Wenn diejenigen Herren und Brüder, welche die ausgesprochene Besorgnis hegten, sich frank und frei zu dem bekannt hätten, was wir – gewis im Sinne der lutherischen Kirche voriger Zeiten – gebeten hatten, wobei sie die Form unsrer Petition unserthalben getrost hätten verwerfen dürfen; so würden sie bei dem Ansehen und siegreichen Gang, den sie hatten, auch das erreicht haben, was wir verlangten. So scheint es mir wenigstens. Und hätten sies vertreten, hätten sie, was leicht gewesen, bewiesen, daß die lutherische Kirche allezeit das gefordert habe, so lang sie nicht in ihre Schmach dahin fiel: ihre Namen wären geachtet worden – und wir mit Unrecht von vielen Bemistrauten und Gescholtenen wären mit ihnen zu Ehren und zugleich zum ferneren Schweigen gebracht worden. Während es jetzt Apologien für die Synode und die bayerische Kirche bedarf, welche am Ende doch die beabsichtigte Wirkung nicht vollständig erreichen, und auch nicht erreichen können, weil ja die schreienden Misstände nicht geleugnet werden können; wäre die bayerische Kirche ohne Zweifel als Vorkämpferin der Wahrheit erkannt worden und man würde allerseits ihre Treue, ihren Glauben und ihre Werke gerühmt und je nach Maßgabe der Verhältnisse auch nachgeahmt haben. – Hätte sie dabei auch Leiden gehabt, so würden ihr diese zur Krone geworden sein!

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)