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bei der Synode dasjenige nicht in Frage zu stellen, was ich bei jedem Blick über die bayerische Kirche hin in Frage zu stellen mich gedrungen fühlte, – nemlich die Bekenntnistreue. Ich sage es gerade heraus, daß ich bei meiner Anschauung der bayerischen Zustände geglaubt haben würde, Unrecht zu thun, wenn ich die Synode vornherein für bekenntnistreu gehalten hätte. Zu dieser Meinung von der Synode als Synode mich emporzuschwingen, vermochte ich bei aller Hochschätzung vieler ihrer einzelnen Glieder nicht. Ich dachte eben auch hier den Stilus planus zu sprechen und hatte mir für dergleichen Fälle immer den Wahlspruch genommen: „Den Aufrichtigen läßt es Gott gelingen.“ Ich traue meinem Freunde Kraußold wirklich aufrichtige Liebe für die Kirche zu; aber auf seinem mehr kirchlich-politischen Zustand gab ihm diese Liebe andere Gedanken ein als mir auf meinem. Ich auf meinem Standpunkt begreife das nicht, wie man in den höchsten Interessen, die es gibt, einer Synode, die noch mit nichts ihre Bekenntnistreue bewiesen hatte und noch nicht hatte beweisen können, deren Glieder nach dem Ausschreiben ohne Rücksicht auf Bekenntnistreue gewählt sein konnten, zu welcher so mancher entschiedene Feind der kirchlichen Richtung gehörte, – wie man dieser bloß deshalb Bekenntnistreue zutrauen sollte, weil sie noch nicht gesprochen hatte und weil es in der protestantischen Gesammtgemeinde auch ein lutherisches Bekenntnis gab, zu dem man sich bekennen sollte. Man konnte die Möglichkeit annehmen, daß die kirchliche Partei die andere überwältigen, daß der Corpusgeist, der so viel thut, und die Umstände wirken würden; aber eine Voraussicht gab es nicht. Man wußte nicht, was kommen würde, darum wählten wir allerdings eine vorsichtige Stellung. – Uebrigens so aufrichtig ich meine Vorsicht, wenn man will, mein Mistrauen gestehe, – ein Mistrauen, darin mir im Herzen wenigstens viele beistimmten, das schließe ich sicher: es überraschte mich doch, als ich hörte, Pfarrer Kraußold nehme unsre Petition als Mistrauensvotum und unterschreibe sie deshalb nicht. Die Tendenz, ein Mistrauensvotum zu geben, war nicht da. Und ist denn diese Ansicht von der Petition ein nothwendiges Ergebnis ihres Inhalts oder ihrer Gestalt? Konnte man sie nicht eben so wohl als Vertrauensvotum nehmen? Wars nicht etwa doch auch ein geheimes Mistrauen, ich sage nicht, gegen uns, aber gegen die Generalsynode selbst, vermöge dessen Freund Kraußold bei uns das Mistrauen in besorglicher Weise hervortreten sah? Was hinderte denn eine von allem Parlamentsgebrauch absehende einfache Auffaßung der Petition? Wir baten, meinetwegen sage man, wir verlangten, denn was wir wollten, waren ja Rechte, die wir verlangen konnten, wenn die lutherische Kirche im Lande zu Recht bestand. Bitten, verlangen – und mistrauen, diese Dinge liegen vor den Augen eines Zweiten wenigstens nicht immer so nahe beisammen in Einem Herzen, daß man von einem aufs andre sicher schließen könnte.

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 Indes, es sei dem, wie ihm will. Man konnte, wenn man wollte, die Petition als Mistrauensvotum nehmen. Ich dachte nicht dran, sonst hätte ich den Punkt überlegt, und so weit es auf mich ankam, vorgesehen. Nehme man doch aber auch meine Aussage als treu und ehrlich an. Ich glaubte, die bayerische Kirche sei mit der Synode von 1849 auf einem Scheidepunkt angekommen.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)