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Anfechtung ausgesetztes Recht. Haben wir das Recht, so laßt es uns brauchen und sehen, wie weit es langt; können wirs aber nicht ausüben, nicht auf Bekenntnistreue nach oben und unten dringen, ach nun, dann wollen wir uns über unsre Lage auch keinen Sand in die Augen streuen und wäre er auch von den Unterschriften der Concordie genommen. Eine Kirche, welche de facto – oder wie ich einmal sagte, ihrem Material nach, unlutherisch ist und nicht alles thut, dem Recht gemäß sich wieder einzurichten, hat an ihrem Recht und Freibrief einen Vorwurf, keinen Trost, eine Anfechtung, nicht eine Garantie ihres Lebens, zumal wenn dies im Sterben liegt. – Oder ist de facto die bayerische Kirche nicht unlutherisch mit ihrer mangelnden Bekenntnistreue, mit ihrer Massenverderbnis, mit den oben angeführten zwölf Punkten und andern dazu? Ich denke auch, was ist, das ist, – und das ist stilus planus. Was hilfts, wenn man das Bekenntnis nicht in Frage stellen will, so es doch durch Verfaßung, Verwaltung und offenkundige Zustände der Lehrer und Gemeinden so lange schon in Frage gestellt ist? Ob wirs zugeben oder nicht, es ist dennoch, wie es ist.

 Gott schien es für die Antwort auf unsre Anfrage günstig zu fügen. Die Gemüther der Gemeinden waren zur Zeit der Wahl für die Generalsynode so sehr mit politischen Dingen beschäftigt, daß man auf die Synodalwahl wenig achtete. Mancher Pfarrer brachte nur mit Mühe die zur Wahl nöthigen Leute zusammen. In den großen Städten betheiligten sich erstaunlich wenige, und die sich betheiligten, gehörten schwerlich zu den abgefallenen Massen. Diese Massen wählten nicht. So kam es, daß die Wahl der Laiendeputirten im Ganzen viel beßer ausfiel, als man fürchtete. Man konnte voraussehen, daß sich wenigstens eine christliche Majorität würde herstellen laßen. Da hoffte man denn wohl auch einen Schritt weiter. – Freilich, als nun die Deputirten zusammentraten, sah man bald, wie ungleichartig die Synode bei aller Befriedigung, die man unmittelbar nach den Wahlen hie und da zeigte, zusammengesetzt war. Die nach den gegebenen Verhältnissen beste Wahl machte dennoch Herrn Pfarrer Kraußold selbst ein wenig bange und Herr Dr. Fikenscher zürnt ja in seinem Schriftchen ganz ernstlich, daß wir einer solchen Versammlung solche Bitten hatten stellen können.

 Während übrigens Herr Dr. Fikenscher zürnt, verargt es uns Herr Pfarrer Kraußold, daß wir der Synode gleich vornherein durch unsre Petition ein Mistrauensvotum gestellt hätten, da man vielmehr ihre confessionelle Richtung gar nicht hätte in Frage stellen sollen. (p. 9.) Soll ich ganz einfach sagen, was ich denke, so ist es dies. Es gibt einen politisch-kirchlichen Standpunkt, von dem aus man gleich einem Feldherrn diejenigen Maßregeln wählt, welche zum Ziele, das man sich gesetzt, nach einer gewissen Berechnung führen können. Von diesem Standpunkt aus mag nun allerdings manchmal ganz wohlgethan sein, etwas nicht in Frage zu stellen, was doch offenbar in Frage steht, nach einem gewissen Rechtsbegriff eine Voraussetzung auszusprechen, welche nach Lage der Sache unbegründet ist. Auf diesem kirchlich-politischen Standpunkt zu stehen, habe ich kein Geschick. Es wäre mir ganz und gar wider den Mann gegangen,

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)