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durch den Ausspruch der Kirche selbst, die durch ihre Generalsynode vertreten ist, kennen zu lernen. Wenn die Generalsynode ein gutes Bekenntnis bekannte und sich gegen die verfaßungsmäßigen und kirchenregimentlichen Widersprüche erklärte; dann hatte man ein Zeugnis, das die Seele einigermaßen stillen konnte; es mußten dann auch gewis die Widersprüche fallen. That sie aber das nicht; gab sie undeutlichen Ton des Bekenntnisses, und machte sie ihr wörtliches Bekenntnis nicht durch treuen Fleiß gegen die Widersprüche verständlicher; dann stand es schlimm mit dem Lutherthum der Landeskirche. Aus den Uebeln und Krankheiten der Verfaßung und Verwaltung wurden dann Sünden. Diese Ansicht hatte ich, als ich den Entwurf der Petition schrieb, und ich habe sie noch. Selbst wenn das Bekenntnis in bester unmisverständlichster Form gegeben, aber keine Abänderung jener Mißstände angebahnt worden wäre, würde man von Bekenntnistreue nicht haben reden können. – In diesem Sinne wurde die Petition gestellt. Bei der Synode stand es, alle unsre Zweifel zu lösen oder dieselben zu bestätigen.

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 Es ist dies auch für spätere Verhandlungen wichtig geblieben. Unsre befreundeten Gegner haben bei verschiedenen Versammlungen darauf gedrungen, daß von den Anwesenden anerkannt würde, die bayerische Landeskirche sei lutherisch – trotz und ungeachtet aller unleugbaren, den Grund angreifenden Uebelstände, weil doch das Bekenntnis zu Recht bestand, wie sie sagten. Ganz natürlich! War die Kirche lutherisch, was für eine Thorheit, ja was für ein Frevel schien es dann zu sein, von ihr zu gehen und selbst Lutheraner sein zu wollen! So, wenn man sagte: „Ja, sie ist lutherisch“, gab man sich freilich gefangen. Ich meinerseits würde, wenn man mir eine solche Frage gestellt hätte, einfach meinen Zweifel kund gegeben und ihn durch Hinweisung auf die noch bestehenden, verfaßungsmäßigen, grundangreifenden Uebelstände und auf die mangelnde Lehr- und Bekenntnistreue in allen Regionen der Landeskirche begründet haben. Ich hätte es gerne gehört, ich hätte es gerne recht völlig und glaubwürdig aus dem eigenen Mund der Kirche erfahren, ob es denn wirklich noch beim alten Bunde bleiben sollte, der 1580 geschloßen wurde. Deshalb wendeten wir uns an die Synode, deshalb hernachmals hiehin und dahin. – Allerdings, wenn hier 20, dort 60 oder 70 Geistliche sagen, die Kirche sei lutherisch; so ist das gegen früherhin ein Fortschritt. Es erscheint ja dadurch eine wachsende lutherische Partei im Lande, die sich fühlt und ihr fast erstorbenes Recht wieder auffrischt. Man kann sich auch in gewisser Hinsicht darüber freuen. Allein was liegt denn für das große Ganze an der einseitigen Aussage einer bis jetzt doch immerhin noch kleinen Minorität! Wenn eine Anzahl von Geistlichen lutherisch ist, oder anfängt, es zu sein, zu werden, dagegen viele andere an den allgemein christlichen Ideen festhalten wollen, wieder andere Rationalisten etc. sind, – wenn man sich gegenseitig trägt und duldet – und dulden muß, wenn man alle unlutherischen Uebelstände ertragen kann und für erträglich findet: ist denn dann die Kirche lutherisch? Hat sie das Recht, warum theilt sies mit ihren Feinden? Wenn diese im Hause wohnen und geschützt sind, dann ists eine traurige Sache, wenn wir, von ihnen gedrängt und beengt, nichts zum Troste haben, als ein papierenes und obendrein der

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/64&oldid=- (Version vom 22.5.2019)