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bereits so ziemlich herrschend gewordenen Grundsätzen der Gleichberechtigung aller Religionsarten zu erschließen. Ein ernster Beschluß fürs Bekenntnis, eine gestrenge Anforderung der Bekenntnistreue an die Pfarrer würde dem Landmann, wenigstens in den Gegenden, welche ich kenne, sogar noch jetzt zum Guten imponiren. Anders vielleicht in den Städten, deren Kirchenpöbel durch eine so starke Erweisung lutherischen Sinnes leicht beschworen und gezwungen werden konnte, sich zu geben wie er war und ist. Was für das Land eine wohlthätige Wirkung gehabt hätte, konnte vom Standpunkt städtischer Pfarrer leicht als „Kirchensprengung“ (einen Ausdruck Pfarrer Kraußold’s zu gebrauchen) erscheinen. Was nun hier thun? „Sprengen“ wollten wir die Landeskirche nicht, den Vorwurf Herrn Pfarrer Kraußolds können wir ganz einfach zurückweisen, und ich denke, wir können ihn als einen solchen bezeichnen, welcher dem von ihm behaupteten sine ira et studio widerspricht. Wir wären gern in der Landeskirche geblieben; deshalb glaubte man, bei der herannahenden Generalsynode die in unserm Rechte liegenden Schritte thun zu müssen, um einen Zustand anzubahnen, bei dem wir bleiben könnten. Für das Land sahen wir in dem, was wir wollten, nur Heil, – und auch für unsre Brüder in den Städten sahen wir in der Realisirung unserer Wünsche bei genauer Erwägung (wir kennen ja auch städtische Gemeinden) wenig Gefahr, dagegen viel Zuwachs an gutem Gewißen und wahrem amtlichen Segen. Hätten wir wißen können, was sich seitdem in unsern Städten ergeben hat, wie sich die abfälligen Massen benehmen würden; es würde uns in unserer Meinung nur bestätigt haben. Wir wagten es also, die Bekenntnisfrage zu erheben, die Synode um ihr Bekenntnis zum Bekenntnis zu bitten.

 Da wir voraussehen konnten, daß die Synode über Verfaßungsgegenstände viele Berathungen anstellen würde; so schien es uns auch ganz am Orte, nicht bloß um Bekenntnis zum Bekenntnis zu bitten, sondern auch die Ausflüße bisheriger Bekenntnisuntreue in den öffentlichen Verhältnissen der Landeskirche zu bezeichnen, und um Abschaffung der Misbräuche, soweit diese von der Synode bewirkt werden konnte, anzulangen. War doch die Landeskirche fast in keiner ihrer öffentlichen Lebensäußerungen specifisch lutherisch. Alle ihre Verhältnisse waren von einem Geiste der Bekenntnislaxheit, ja von unirtem Sinne durchdrungen. Und wenn nun gleich diese Zustände nicht zunächst auf uns Landpfarrer drückten; so galt es doch jetzt, die Quelle unserer Leiden aufzusuchen und zu verstopfen. Diese aber mußten wir zum Theil eben in den allgemeinen Verhältnissen, in der Verfaßung der Landeskirche und den Formen ihres öffentlichen Lebens und Erscheinens finden. – Wir faßten unsre Beschwerden und Wünsche in einer Petition an die Generalsynode zusammen.

 Diese Petition war ursprünglich von dem Schreiber dieser Blätter entworfen, gieng aber hernach durch mehrfache Berathung und wurde mehr als einmal umgearbeitet. Da wir rücksichtlich dessen, um was zu petitioniren war, ganz klar sahen; so legten wir es gar nicht darauf an, sie in möglichst weite Kreise zu bringen. Vielleicht wäre es beßer gewesen, wenn wir es dennoch gethan hätten;

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/61&oldid=- (Version vom 1.8.2018)