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 Zum Vierten: Darum einen rechten Verstand und Brauch zu lernen der Bruderschaften, soll man wißen und erkennen den rechten Unterschied der Bruderschaften. Die erste ist die göttliche, die himmlische, die alleredelste, die alle andere übertritt, wie das Gold übertritt Kupfer oder Blei, die Gemeinschaft aller Heiligen, davon droben gesagt ist, in welcher wir allesammt Brüder und Schwestern sind, so nahe, daß nimmermehr keine nähere mag erdacht werden. Denn da ist Eine Taufe, Ein Christus, Ein Sacrament, Eine Speise, Ein Evangelium, Ein Glaube, Ein Geist, Ein geistlicher Körper, und ein Jeglicher des Andern Gliedmas. Keine andere Bruderschaft ist so tief und nahe. Denn natürliche Bruderschaft ist wohl Ein Fleisch und Blut, Ein Erbe und Ein Haus, aber muß sich doch theilen und mengen in ander Geblüt und Erbe.

 Diese parteiischen Bruderschaften, die haben wohl Ein Register, Eine Meß, einerlei gute Werke, Eine Zeit, Ein Geld, und als es nun gehet, Ein Bier, Ein Freßen und Ein Saufen; und reicht keine nicht so tief, daß sie Einen Geist mache: denn den macht Christus Bruderschaft allein; darum auch so sie größer, gemeiner und weiter ist, je beßer sie ist.

 Es sollen nun alle andern Bruderschaften, so geordnet sind, daß sie die erste und edelste stets vor Augen haben, dieselbe allein groß achten und mit allen ihren Werken nichts Eigens suchen, sondern um Gottes willen dieselben thun, Gott zu erbitten, daß er dieselbe christliche Gemeinschaft und Bruderschaft erhalte und beßere von Tag zu Tage. Also, wo eine Bruderschaft sich erhebt, sollen sie sich also laßen ansehen, daß dieselben für andere Menschen herausspringen, für die Christenheit mit Beten, Fasten, Almosen, guten Werken etwas Besonderes zu thun, nicht ihren Nutz noch Lohn suchen, auch niemand ausschlagen, sondern wie freie Diener der ganzen Gemeine der Christenheit zu dienen.

 Wo solch rechte Meinung wäre, da würde Gott auch wiederum rechte Ordnung geben, daß die Bruderschaften nicht mit Schlemmerei zu Schanden würden. Da würde Gebenedeiung folgen, daß man einen gemeinen Schatz möchte sammeln, damit auch äußerlich andern Menschen geholfen würde. Dann gingen geistliche und leibliche Werke der Bruderschaften in ihrem rechten Orden. Und welcher dieser Ordnung in seiner Bruderschaft nicht will folgen, dem rathe ich, er springe heraus und laße die Bruderschaft anstehen, sie wird ihm an Leib und Seele schaden.

 So du aber sprichst: Soll ich nicht etwas Besonderes in der Bruderschaft überkommen, was hilft sie denn mich? Antwort: Ja, wenn du etwas Besonderes suchest, was hilft dich denn auch die Bruderschaft oder Schwesterschaft dazu? Diene du der Gemeinde und andern Menschen damit, wie die Art der Liebe pflegt, so wird sich dein Lohn für dieselbe Liebe wohl finden ohne dein Suchen und Begierde. So aber dir der Liebe Dienst und Lohn gering ist, so ist es ein Zeichen, daß du eine verkehrte Bruderschaft habest. Die Liebe dienet

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)