Seite:Wilhelm Löhe - Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern.pdf/57

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

für sich, daß man in der Noth einem dürftigen Mithandwerksmann auslegen, helfen und leihen könnte; oder ein jung Paar Volks desselben Handwerks von demselben gemeinen Schatz mit Ehren aussetzen. Das wären rechte brüderliche Werke, die Gott und seinen Heiligen die Bruderschaft angenehm machten, dabei sie gerne Patronen sein würden. Wo sie aber das nicht thun wollen, und der alten Larven nachfolgen, so vermahne ich doch, daß sie solches nicht thun auf der Heiligen Fest, auch nicht unter ihrem oder der Bruderschaft Namen. Man nehme einen andern Werktag und laße der Heiligen und ihrer Bruderschaft Namen mit Frieden, auf daß sie nicht einmal zeugen („zeichen“?). Wiewol kein Tag ohne Unehre mit solchem Wesen wird zugebracht, soll doch der Feste und Heiligen Namen mehr verschont werden. Denn solche Bruderschaften laßen sich der Heiligen Bruderschaften nennen, und treiben des Teufels Werk darunter.“

 Zum Dritten ist eine andere böse Gewohnheit in den Bruderschaften, und ist eine geistliche Bosheit, eine falsche Meinung, die ist, daß sie meinen, ihre Bruderschaft soll Niemand zu gut kommen, denn allein ihnen selbst, die in ihrer Zahl und Register sind verzeichnet, oder dazu geben. Diese verdammte böse Meinung ist noch ärger als die erste Bosheit, und ist eine Ursache, warum Gott verhängt, daß aus den Bruderschaften ein solcher Gottesspott und Lästerung „wird mit Freßen und Saufen und desgleichen. Denn darin lernen sie sich selbst suchen, sich selbst lieben, sich allein mit Treuen meinen, der andern nicht achten, sich etwas Beßeres dünken, und mehr Vortheil bei Gott, für den Andern, vermeßen. Und also gehet unter die Gemeinschaft der Heiligen, die christliche Liebe und die gründliche Bruderschaft, die in dem heiligen Sacrament eingesetzt ist. Also wächst in ihnen eigennützige Liebe, das ist nicht anders, denn daß man mit denselben vielen äußerlichen, werklichen Bruderschaften strebt und störet wider die einige, innerliche, geistliche, wesentliche Gemeine aller Heiligen Bruderschaft.“

 Wenn denn Gott siehet das verkehrte Wesen, so verkehret er es auch wiederum; als im 18. Psalm stehet: „Mit den Verkehrten verkehrest du dich,“ und schicket es also, daß sie sich mit ihren Bruderschaften selbst zu Spott und Schanden machen und von der gemeinen Bruderschaft der Heiligen, der sie widerstreben und nicht mit ihr in gemein wirken, verstößet in ihre freßige, säuferische, unzüchtige Bruderschaft, auf daß sie das Ihre finden, die nicht mehr, denn das Ihre gesucht und gemeint haben, und dennoch sie verblendet, daß sie solche Unlust und Schande nicht erkennen, unter der Heiligen Namen solchen Unfug schmücken, als sei es wohlgethan, über dasselbe etliche so tief in Abgrund läßt fallen, daß sie öffentlich rühmen und sagen, welcher in ihrer Bruderschaft sei, möge nicht verdammt werden; gerade als wäre die Taufe und Sacrament, von Gott selbst eingesetzt, geringer und ungewisser, denn das sie aus ihren blinden Köpfen erdacht haben. Also soll Gott schänden und blenden, die seine Feste, seinen Namen, seine Heiligen mit Nachtheil der gemeinen christlichen Bruderschaft, die aus Christi Wunden gefloßen ist, schmähen und lästern mit ihrem tollen Wesen und säuischem Brauch ihrer Bruderschaften.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)