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ich den Vorschlag der Freunde nicht richtig verstanden; ich schreibe aus einem sehr trüglichen Gedächtnis heraus; aber habe ich recht gemerkt, so fürchte ich, der Gedanke eines doppelten Catechumenats könnte grade in den Gemeinden, wo das Christenthum wenigstens noch Ehrensache ist, mit der Wuth des beleidigten Pöbels enden, den man als Abendmahlsgast behalten wollte. Jeden Falls müßen einem im Amte stehenden Pfarrer die Catechumenatsvorschläge nicht recht praktisch erscheinen. Wer weiß, wie viele vom Clerus ein freies Catechumenat, welches dann doch in allen Gemeinden müßte in Ausübung gebracht werden können, gar nicht leiten könnten! Und ach, wie viele würden gerechter Maßen von ihren Seelsorgern in der Classe der Abendmahlsgäste zurückgehalten werden müßen! etc. – All das wäre bei einfachem Abweis des offenbaren, unbußfertigen Sünders – und bei einem völlig freien Verein der Beßeren für apostolisches Leben in vielen Gemeinden nicht, in vielen nur wenig zu fürchten. Noch fände Abweis vom heiligen Abendmahle viele Zustimmung – und die Erscheinungsart des Vereins wäre so ziemlich dieselbe, wie bei den Erbauungsstunden, die alles Interesse für den christlichen (unchristlichen) Pöbel verloren haben und gar kein Aufsehen mehr erregen, wenig Hochmuth mehr hervorrufen, weil ihrer niemand mehr achtet, und nur zufällig wieder ein Gegenstand des Haßes und der Aufregung werden dürften.




 Sollte ich endlich den Unterschied zwischen meinem Vorschlag und dem des Catechumenats angeben, so scheint er mir kürzlich dieser zu sein. Ich wollte retten, was sich retten ließe, zusammenhalten, was zusammengehörte, – alles im Angesicht einer möglichen Scheidung. Meine befreundeten Gegner wollten innerhalb der, wo immer möglich, zusammenzuhaltenden gegenwärtigen Gemeinden einen beßeren wirksamen Kern bilden. – Wir wollten uns zusammendrängen, um allenfalls beisammen zu sein, wenn wir irgend genöthigt sein würden, von dem Ganzen der Landeskirche auszuscheiden. Und das werden die wenigen nicht leugnen, die sich noch der ersten Anfänge erinnern. Die befreundeten Gegner aber, wenigstens die vom zwiefachen Catechumenat, schienen auf dem Wege ihrer Unterscheidung den beßeren und den schlechteren Elementen die Möglichkeit des Zusammenbleibens ausfindig gemacht zu haben. – Wir wollten eine Scheidung nicht herbeiführen, rüsteten uns aber dazu und betraten einen Weg, auf welchem wir bei beßerer Wendung der allgemeinen Zustände auch innerhalb der Kirche verharren konnten. Unsre Freunde wollten keine Scheidung, aber die Durchführung ihres Gedankens vom Catechumenat hätte sie in den Fall gesetzt, sie veranlaßt zu haben. – Unsre Sehnsucht nach dem Beßeren brachte uns in das Gerücht eines unaufhaltsamen Dranges zur Ausscheidung, welches hernach durch meine Beleuchtung der Generalsynode neue Nahrung fand. Der Ernst unsrer Gegner, zusammenzuhalten, brachte in Vergeßenheit, daß sie zum Theil zu einem Wege riethen, den man uns bei dem Vorurtheil, in dem wir standen, härter würde verwiesen haben, als den Vorschlag.




Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/55&oldid=- (Version vom 1.8.2018)