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naturwüchsig erkannt werden müßen, wie viel mehr müßen wir den Dienst der Vereine in der kranken Kirche mit Dank anerkennen, (S. Druck des Vorschlags p. 20.) Und wenn es in der Ordnung ist, sich zu einzelnen Werken zu vereinigen, wie sollte es denn der Vereinigung vieler Kräfte nicht werth sein, christliches Leben im Allgemeinen zu wecken, zu pflegen, zu erhalten? Die lieben können, sollen lieben, – die Liebe aber vereinigt und zwar bald in der, bald in jener Form, wie es sich eben gibt, – und wozu vereinigt sie, wenn nicht zu Zucht, Gemeinschaft und Opfer in dem Sinne des Vorschlags oder doch des Katechismus apostolischen Lebens?

 Ich irre mich vielleicht und vielleicht sehe ich es noch einmal anders, dann will ichs nicht verhalten; aber noch ist mirs immer, als wenn der Vorschlag sammt dem Katechismus des apostolischen Lebens weniger an dem gestorben wäre, was – namentlich in der gedruckten Recension – zu lesen steht, als an dem, was man zwischen den Zeilen las, was man sich dahinter dachte. Ich meines Theils hatte allerdings mein Mistrauen ins Gelingen der Sache, so wie sie nun geändert war; es schien mir unter den gegebenen Umständen wenig Hilfe darin; stufenweise, so schien es mir, durch mancherlei Bemühungen, die Lage zu beßern, kämen wir am Ende doch zu nichts anderem als zur Ausgangspforte und zu neuem Bau. Dennoch aber, wie gerne hätte ich eine wahre Seelenvereinigung zu apostolischem Leben als neue Lebenshoffnung der bestehenden Kirche begrüßt! Ich meinte es ehrlich mit dieser Vereinigung; wenn gleich mir ohne einige Form das ganze Unternehmen unpraktisch erschien, so glaubte ich doch, es könnte sich bei ernstlichn Versuchen leicht auch in Betreff der Form die Meinung mancher ändern. Die Wahrheit ist, daß es an ernstlichen Versuchen, d. i. an Leuten fehlte, die konnten und dann auch wollten. Die Kirche, die so etwas gekonnt, so etwas hervorgebracht hätte, hätte noch mehr gekonnt; der HErr würde, meines geringen Erachtens, viel Sieg gegeben haben. An ihrer Unmöglichkeit starb drum die Sache; sie gab Zeugnis von unserm Unvermögen und offenbarte vieler Herzen Gedanken. Genug, die Sache ruhte und ruht bisher – und wie gerne wollte ich meines Theils sie als völlig verfehlt ansehen, wenn ich nur von irgend einer Seite eine reichere und mächtigere Hilfe hätte kommen sehen.

 Es war allerdings manchen meiner befreundeten Gegner gar nicht entgangen, daß es in jedem Betracht gut sein würde, um den Pfarrer her einen beßeren Kern von Gemeindegliedern zu sammeln; sie lenkten meine Aufmerksamkeit auf das Catechumenat der alten Kirche, für dessen zeitgemäße Erneuerung man durch Belehrung das Urtheil und die Zustimmung der Christen gewinnen müßte. Ich gestehe, daß das Catechumenat meinen vollen Beifall hat.[1] Für neu entstehende Gemeinden, z. B. unter den Heiden, in Nordamerica etc., sollte man mindestens – gegenüber dem eilenden Zufahren der Römischen und dem nach Baptismus riechenden langsamen Verfahren


  1. Die biblische Begründung der Confirmation, wie sie in einem Aufsatz der Erlanger Zeitschr. gegeben ist, dürfte übrigens, so alt und so ähnlich sie z. B. der Beweisführung anderer Kirchen ist, bei manchen Lutheranern stark angefochten werden.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/53&oldid=- (Version vom 1.8.2018)