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ein Herz nach dem andern erstirbt und verkommt, bis Alles, was zuvor hoffnungsvoll glühte und brannte, wieder in Todesnacht gehüllt ist.[1] Das alles ist nun nicht weniger der Fall, nachdem man um der sogenannten Schwachen willen die Angefochtenen, die wahrhaft Schwachen, die ohne Gemeinschaft nicht erstarken, in der Zersprengung gelaßen und den wilden Thieren der Verführung, die doch jetzt heftiger brüllen, auch ferner überliefert hat.

 Es ist richtig, daß sich der beabsichtigte Verein von andern Vereinen dadurch unterschied, daß er nicht einzelne gute Werke, etwa die Ausbreitung des Reiches Gottes oder die Krankenpflege etc. zum Zwecke nahm, sondern das gesammte Christenleben. Was haben denn die Erbauungsstunden, für die man früher so manche Lanze gebrochen, was die Bibelstunden anders gewollt, als dasselbe? Da nun ein Verein für apostolisches Leben, wie wir ihn beabsichtigten, im Grunde weniger unter die Reihe der gewöhnlichen Vereine, als der Erbauungs- und Bibelstunden zu rechnen war, – da er sich von der zu Erbauungs- und Bibelstunden zusammentretenden Gemeinschaft nur graduell unterschied: warum war er gerade so sehr zu fürchten und zu bemistrauen? Und warum sollte es denn nicht besonderer Gegenstand eines Vereins sein können, christliches Leben im allgemeinen anzubahnen? Ein solcher Verein kann allerdings in gewissen Zeiten mit der Kirche selbst zusammenfallen. Schlimm genug aber, wenn es so geworden ist, und noch schlimmer, wenn in solcher Zeit diejenigen, welche der Kirche noch treulich anhangen, den Muth nicht haben, so lange kirchlich zu handeln, d. i. hier, als eine Gemeinschaft aufzutreten, bis sie des Irrthums überwiesen sind und der im Grunde erwünschte Beweis geliefert ist, daß sie die Grenzen zu eng gesteckt haben, daß es noch viel mehr ihres Gleichen im Lande gibt, als sie dachten. – Daß in unserem Falle der beabsichtigte Verein mit der Kirche zusammenfalle, haben wir übrigens nicht gesagt und wollten es auch nicht sagen. Wir konnten uns vornherein gar manchen treuen Jünger JEsu denken, der überhaupt den Vereinen keinen Geschmack abgewinnen konnte, weil er sie insgemein für eine Zersetzung der Kirche hielt. Würden wir etwa einen solchen nicht für ein Glied der Kirche gehalten haben?

 Der Verfaßer dieser Blätter hat sich früher selbst immer gegen Vereine geäußert. Bereits pag. 19. 20. des gedruckten Vorschlags hat er das anlangend eingelenkt, und seitdem ist ihm das Recht der Vereine innerhalb der Kirche noch gewisser geworden. Ich sagte früherhin, wenn die Kirche in lebendiger Ordnung gehen würde, so würden die Vereine aufhören. Das glaube ich nun nicht mehr.[2] Die Kirche hat mancherlei gute Werke zu vollbringen, mancherlei einzelne Zwecke vereinigen sich zur Erreichung ihres Gesammtzwecks. So mancherlei nun die guten Werke, so mancherlei die einzelnen Zwecke der Kirche sind, so mancherlei


  1. Die Vereinigung der lebendigen Glieder Einer Gemeinde mit ihrem Pastor ist zu klein, als daß sie es zur rechten Lebenshöhe brächte. Der Pastor samt dem kleinen Häuflein wechseln, wandern, sterben. Um zu heben und über Leid und Neid hinwegzuführen, bedarf es eines größeren Gedankens, einer größeren Gemeinschaft.
  2. Ich bin aber allerdings fest überzeugt, daß alsdann die Formen ganz andere sein würden.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)