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 Ganz mit dem Gesagten hängt auch die Widerlegung der Besorgnis zusammen, als hätte ein solcher Verein die Kirche „sprengen“ können. Eine Gefahr für den Zusammenhalt der gegenwärtigen bayerischen Landeskirche wäre bloß dann durch den Verein für apostolisches Leben herbeigebracht worden, wenn dieser Verein innerhalb der Kirche eine eigene Abendmahlsgemeinschaft in Anspruch genommen hätte. So lange aber sein Zusammenhang nur auf der apostolischen Lehre, der Zucht, der Gemeinschaft, dem Opfer, dem Gebete beruhte, während man sich noch mit allen andern Gliedern der Landeskirche beim heiligen Abendmahle zusammenfand; war auch das Band mit der Landeskirche unverletzt. Durch die beabsichtigte Zucht konnte wol ein Bruch kommen, wenn man sie außerhalb des Vereins hätte üben wollen; allein das war nicht der Fall; es war ein jeder angewiesen, die Zucht allein in den Kreisen zu üben, in denen er zunächst lebte, – der Mann am Weibe, die Geschwister an einander etc. etc.; außerdem sollten zunächst nur die sich nahe stehenden Glieder des Vereins zu einer gegenseitigen, läuternden und erziehenden Thätigkeit verpflichtet sein. Und auch diese Verpflichtung sollte nicht kraft einer Satzung des Vereins, sondern nur kraft der aus Gottes Wort gewonnenen Ueberzeugung ausgeübt werden. – So lange sich nun der Verein in den gesetzten Schranken hielt, war von ihm so wenig als von den früheren Erbauungsstunden eine Gefahr für den Complex der Landeskirche zu fürchten. Diese haben nicht gesprengt, und auch von den Erbauungsstunden im höhern Chor, die wir beabsichtigten, war es nicht zu erwarten; es müßte denn die Welt in der Kirche sich an einer solchen heranwachsenden Macht geärgert und selbst die Kirche gesprengt haben. Die beßern Glieder der Kirche hielten zuvor an ihren Lehrern und geistlichen Vätern, wie noch jetzt. Hätten diese nun gleich mehr Einheitsgefühl oder Lebenshöhe gewonnen; so wäre das doch nur gewesen, was ihnen heute noch zu gönnen ist. Was ist für sie gewonnen – damit nemlich, daß es zur innigeren Vereinigung nicht kam? Sie entbehren ein Centrum, welches sie vereinigt haben würde, – welches sie zu einer für die Ausbreitung des Guten sehr heilsamen Macht erhoben hätte. Nun gehen sie ohne das, ohne Centrum, – denn Mission, seis innere, seis äußere, gibt kein rechtes Centrum für die Seelen, denen zunächst an ihrer eigenen Erbauung zum ewigen Leben gelegen ist. In Werken ruht keine Seele, am wenigsten, wenn sie nicht als Opfer und Ausflüße himmlischer Liebe zu JEsu erkannt werden und wenn sie also nicht in Mitte und im Zusammenhang eines ganzen geistlichen Lebens stehen. – Die Widerwärtigen und Trägen in den Gemeinden ärgern sich an jeder Bekehrung eines Sünders. Die Menschen, welche sich Christo ergeben, mögen leben, wie sie wollen, mögen noch so treu in der Heiligung sein: sie werden geschmäht, jede List und jeder Weg wird angewendet, die nothwendigen Aeußerungen ihres neuempfangenen geistlichen Lebens zu verdächtigen und zu verkümmern. Es gehören starke Geisteskräfte dazu, um dem Strom einer höhnenden, kecken Schaar, mit der man täglich zusammenlebt, zu widerstehen. Da wäre eine innigere Vereinigung aller, die in gleichem Fall sind, zugleich ein Stärkungsmittel nach außen und eine Leitung zur Heiligung, zur Läuterung der Absicht, zur Geduld in der Trübsal. Ohne Sammelpunkt, ohne Gemeinschaft lischt eine Kohle nach der andern aus,

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/50&oldid=- (Version vom 1.8.2018)