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beschränkten Kreis veröffentlicht zu haben, in welchem sie veröffentlicht wurde. Aber wozu sie geschrieben war, das erreichte sie gewis nur in wenigen und kleinen Kreisen. – So wie unser erster Gedanke, im Falle sich ergebenden Bruches die Kirche auf alter Basis neu zu bauen, keinen Anklang fand; so erwies sich auch der andere, der Kirche in dem Verein für apostolisches Leben einen thatkräftigen Mittelpunkt zu geben, als unkräftig. Es fehlte zu beiden Gedanken in weiteren Kreisen der Boden. Mir schien es von Anfang, als würden unsrer Kirche keine, auch nicht die wolgemeintesten Experimente, frommen, weil wir gar lange her an den Greuel der Lehruneinigkeit und Zuchtlosigkeit gewöhnt waren, alle kirchlichen Verhältnisse dadurch untergraben waren und deshalb jedes, auch das gerechtfertigtste Vorgehen den Bau zerwerfen konnte, der noch stand. Man konnte sich auch nicht zu den göttlichsten Gedanken vereinigen, ohne in die Gefahr zu kommen, einen Riß zu verschulden, um dessen willen der Weheruf vieler Brüder über einen gekommen wäre. – Es erschien so vielen wenn auch nicht als der erste, doch jeden Falls als ein Grundsatz, das Bestehende nicht anzutasten. Uns schien in dem Bestehenden so gar viel Ursache zur Klage und zum ewigen Verderben. Dort hoffte man noch fürs Ganze, hier sah man das Unheil unzähliger Einzelner. Dort urtheilte man etwa vom Standpunkte des Regiments, hier von dem der Seelsorge. – Wir aber, die wir einem Verein für apostolisches Leben zum Theil auch jetzt noch gerne und freudig beitreten würden, wichen damals unsern Brüdern, umzusehen, ob vielleicht von ihnen ohne uns eine Hilfe käme, die niemand als „gemacht“, wir aber als der Noth entsprechend bezeichnen, ihr von Herzen Beifall schenken könnten.

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 In dem autographirten „Vorschlag“ war es (S. 4. von hinten) ausgesprochen, daß die sich zusammenschließenden einzelnen Kreise sich nicht nothwendig innerhalb der Parochieen halten müßten. Im Druck p. 29, erwähnte man der Parochialkreise oder Parochialvereine nicht, sondern hob allein den Gedanken völliger Freiheit hervor. Man hoffte damit manchem befreundeten Gegner weniger Aergernis zu geben, allerdings ein vergebliches Bemühen, so lange man durch den Grundsatz der Freiheit implicite dasselbe sagte. Es lag aber in unserm Grundsatze gar nicht die Absicht, Verwirrung in die Pfarreien zu bringen, wir wißen ganz gut, daß der heilige Apostel uns verbietet, ἀλλοτριοεπισκοποὶ zu sein; wir wollten nur denjenigen Christen, welche innerhalb der Parochie eine Möglichkeit des Anschlußes nicht hatten, nicht auch die Möglichkeit abschneiden, sich – kraft des auch ihnen zugehörigen allgemeinen Priesterthums – mit ihren Brüdern außerhalb der Parochie zu heiligen Zwecken zusammenzuthun. – Für den Erfahrnen und Billigen konnte auch die p. 29. des Drucks gegebene Motivirung keinen Anstoß haben. Den Weg, welchen seit Jahrzehnten alles neue Leben gegangen, wollten wir betreten. Wer weiß es nicht, daß fast überall, wo jetzt Christenhaufen zusammenstehen, Gottes Werke wirken, Missionen etc. unterstützen, die Sammlung dieser Haufen dadurch geschah, daß begabtere Prediger aufstanden, denen man aus allen Parochien der Gegend zulief, an deren amtliche Wirksamkeit sich alsdann alles Leben anschloß? Hätte es da wie einen Beichtzwang, so auch eine Art von Predigtzwang

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/48&oldid=- (Version vom 1.8.2018)