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autographirt, hinausgegeben und zur Prüfung im weiteren Kreise auf den 15. Novbr. 1848 ins Pfarrwaisenhaus nach Windsbach einzuladen. Die, welche am 15. Novbr. in Windsbach zusammen waren, – eine nicht sehr große Anzahl, – waren vornherein der Hauptsache nach so einig, daß eine Verständigung keine Schwierigkeit hatte. Es wurden, so viel ich mich erinnern kann, gegen den Vorschlag wenig Einwendungen gemacht. Nicht bei den Anwesenden, aber bei einigen abwesenden Freunden, welche zur Theilnahme eingeladen worden waren, hatten diejenigen Stellen am meisten Anstoß erregt, welche die Auslegung zuließen, als wäre ein Verein mit Statuten und Mitgliederverzeichnis beabsichtigt. Nun waren zwar in dem autographirten Vorschlag (z. B. auf der zweitletzten Seite vor dem Katechismus) Stellen, welche eine solche Auslegung hätten verhindern können, wenn sie recht beachtet worden wären; aber allerdings war über die Ausführung des Planes absichtlich und unabsichtlich nicht sehr eingehend gesprochen, und man konnte es deshalb ganz begreiflich finden, daß Fragen und Einwendungen kamen. Die Einwendungen wurden gewürdigt, gewis nicht am wenigsten von dem Schreiber dieses. Einer der abwesenden Freunde hatte geschrieben: „Ohne Verein eine freie Vereinigung entschiedener und empfänglicher Gemeindeglieder für den Zweck des projectirten Vereins mit allen von Gott gegebenen Mitteln und Kräften anzustreben, ein engeres Zusammenhalten und Anschließen solcher Gemeindeglieder an und mit ihren Pfarrern anzubahnen, das scheint mir die Hauptaufgabe.“ Es war das etwas anderes, als wir gewollt, denn der Rath des Freundes gieng ja nicht über die Grenzen der Parochie hinaus und war nicht geeignet, ein Einheits- und Gemeinschaftsgefühl aller derer zu bewirken, welche von den drei Grundgedanken des Planes ergriffen waren oder später wurden – und hierin lag, wenn es nemlich so gefaßt wurde, die Unmöglichkeit, etwas Bedeutendes zu leisten. Indes konnte man die von dem theuern Freunde gewünschte Auffaßung der Sache wie eine Vorbereitung für unsre ursprüngliche Auffaßung ansehen, und so fügte man sich denn in Hoffnung, es werde sich, wenn „mit allen von Gott gegebenen Mitteln und Kräften gestrebt würde“, die Nothwendigkeit einiger Form bei der freiesten Freiheit, die wir ja ursprünglich auch festgehalten, von selbst herausstellen. Da man beschloß, den Vorschlag und apostolischen Katechismus als Manuscript drucken zu laßen, änderte man die anstößigen Stellen, wie sich jeder selbst überzeugen kann, der sich die Mühe nehmen will, den Druck mit der Autographie zu vergleichen. Ich meinerseits glaubte übrigens schon am Conferenztag vorauszusehen und voraussagen zu können, daß trotz der Aenderungen die Sache doch nicht mehr Zustimmung finden würde. Mit der Aufgebung gemeinschaftlicher Versammlungen und nunmehr auch aller Form mußte man eigentlich die Hoffnung kräftigen Gedeihens bei Seite legen. Jeder heilige Gedanke, wenn er für mehrere ins Leben treten soll, muß Zeit und Raum, muß einige Form haben, oder er findet ins Dasein keinen Weg.

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 Die Schrift wurde nun hinausgegeben, sie trat nicht umsonst hinaus, sie hat viel Widerspruch, aber doch auch manchen Beifall gefunden, hat, was mehr ist, angeregt – und ich wüßte nicht, warum man es bereuen sollte, sie in dem

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)