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Neubaues der Kirche zusammengehalten werden. Als ich nun in jener Zeit die kleine Schrift von Herrn Dr. W. Bötticher zu Berlin: „Das alleinige Panier der nach wahrer Einheit strebenden Kirche Deutschlands“ (Berlin 1848. Bei Wohlgemuth.) erhielt, ermunterte mich die Uebereinstimmung des Verfaßers mit vielen von mir für wichtig erachteten und zur Sache gehörigen Gedanken, die kleine Schrift auszuarbeiten, welche hernach unter dem Titel: „Vorschlag zur Vereinigung lutherischer Christen für apostol. Leben. Sammt Entwurf eines Katechismus des apostol. Lebens. 1848.“, als Manuscript gedruckt wurde.

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 Der „Vorschlag“ wurde jedoch nicht alsbald gedruckt, sondern seiner ganzen Faßung nach sammt dem Katechismus des apostolischen Lebens zuvor in engeren und weiteren Kreisen berathen. Schon bei der Berathung im engeren Kreise fand man den hauptsächlichsten Mangel, um deswillen aus dem Vorschlag nichts Rechtes werden konnte; man fand sich aber nicht im Stande, ihn zu beseitigen. So starke Bindemittel nemlich die drei Grundgedanken „Zucht, Gemeinschaft, Opfer“ bieten, so gewis in ihnen alles das liegt, was eine Gesellschaft für innere Mission im höhern Chor für sich und alle die bedarf, welche sie gewinnt; so sahen wir doch, daß ein leibliches Zusammenkommen, eine Versammlung der Gleichgesinnten und zwar eine gottesdienstliche Versammlung und lebendige Uebung jener Grundgedanken bei solchen Versammlungen nöthig war, wenn das Ganze recht gedeihen sollte. Jene Gedanken leben ja in unsern Gemeinden nicht: die Uebung, und zwar die gottesdienstliche, lehrt sie am ersten verstehen, führt in sie ein, erzieht für sie. Es mußte unter Leitung solcher, welche die Sache allseitig erwogen hatten, Zucht, Gemeinschaft und Opfer geübt und zur Uebung Anweisung gegeben werden, oder die Sache kam nie zum Leben. Gerade aber diese gottesdienstliche Vereinigung schien damals nicht wohl möglich, ohne daß wir uns als ein Kirchlein in der Kirche darstellten und damit den Unwillen vieler zwar befreundeten, aber doch mistrauenden Glaubensgenoßen auf uns luden. Man wollte ja in der Kirche des Königreichs Bayern bleiben, so lange es immer möglich scheinen würde (Vgl. den autographirten Vorschlag, vorletzte Seite vor dem Katechismus, und den Druck p. 21); so wollte man auch gerne die möglichste Rücksicht auf andere beweisen, die unser Thun nicht billigten. Deshalb ließ man den Gedanken eigener gottesdienstlicher Uebungen fallen, und zertrat damit gleich vornherein die Lebensfähigkeit der ganzen Sache. (Vergl. den Druck des Vorschlags p. 33.) – So wie nun, obwol unter meiner eigenen Mitwirkung, dies geschehen war, fehlte mir selbst das rechte Vertrauen zum Gelingen. Das p. 34. des Drucks angegebene Surrogat des Familiengottesdienstes konnte nicht genügen. Indes wollte ich der Sache durchaus nicht abspenstig werden, bloß weil sie nun der Krone mangelte und ihr das leichteste Belebungsmittel fehlte; im Gegentheil, da mancher im engeren Kreise meiner Freunde doch hoffte, faßte auch ich schnell neue Hoffnung und war der Meinung, es würde sich, fände nur die Sache erst rechten Boden und Wurzel in vielen Herzen, mit der schönsten Form seiner Ausübung – nemlich während eines eigenen Gottesdienstes – von selbst machen und sich bei rechter Bewährung das Auffällige auch von selbst mindern. So wurde denn Vorschlag und Katechismus zuerst

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/46&oldid=- (Version vom 1.8.2018)