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Gemeinschaft, einer Kirche, sei sie Landeskirche oder welche sonst. Durch Lehreinigkeit würden viele tausend Zweifel der Gläubigen in der Geburt erstickt, würden viele tausend Seelen leichter zur Wahrheit, zum Glauben, zur Heiligung gelangen. Viele tausend Seelen sterben annoch an den, ach oft so gering geachteten, falschen Lehren ihrer Pfarrer; viele, viele Pfarrer sterben wohl selbst des ewigen Todes (ach, daß man’s sagen muß!), um der „Lügen“ willen, damit sie Seelen „morden.“ Der HErr fordert das Blut der um ihr ewiges Heil Betrogenen von den Hirten, (ach HErr, gehe auch mit denen nicht ins Gericht, welche Deine Wahrheit lieben, und, obwol in Schwachheit, bekennen!) und die Lehrer sollen Rechenschaft geben von den Seelen ihrer Pflegbefohlenen! Das bezeugt beides das alte (Ezech. 33.) wie das neue Testament. So viele falsche Lehrer also geduldet werden, so viele Gemeinden bleiben in Gefahr des ewigen Todes, eben so viele werden im Guten aufgehalten, im Bösen gefördert. – Was ists mit den Tausenden, welche in unsern Tagen abfällig werden und dem modernen Heidenthum zufallen, seis innerlich oder auch äußerlich? Sie sind die Aernte jener Saat, welche in der Zeit rationalistischen Unglaubens durch falsche Lehren, leider auch von unsern Kanzeln, Jahrzehente lang ausgestreut wurde! Und warum sind auch die Gläubigen in der bösen Zeit, auch bei dem großen Fleiß und Eifer der Feinde, so todt, so kraftlos, so zerstreut, warum drängt sie der Abfall und viel drohendes Unglück nicht zusammen, warum wachsen sie nicht zusammen in Eins, zu Einem Ganzen, warum sehen wir sie nicht als Eine Heerde, als Ein Gottesheer? Was hält, was lähmt, was hindert sie denn! Mancherlei Ursachen, aber auch die bemerkte Uneinigkeit der Lehrer, der Mangel gemeinsamer Lehre, Strafe, Ermunterung und Züchtigung. Wie die Hirten, so die Heerden. Uneinig, uneinig im Glauben und darum in Lieb und Hoffnung sind Führer und Geführte – und hier liegt unser Jammer zum großen Theil.

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 Wie stehen wir uns und dem Guten im Wege, das wir, obschon in manchem uneinig, doch in so vielem, namentlich im Bekenntnis einig, alle so sehnlich wünschen! Der Verfaßer nannte in seiner „Beleuchtung“ etc. (z. B. p. 59) Lehreinigkeit das minimum kirchlicher Eintracht. Seitdem haben sie andere das maximum genannt. Nun ist es zwar klar, daß es über die Lehreinigkeit hinaus noch manches Gute gibt, darin wir einig sein können und großentheils auch sollen, z. B. die Liebe, das Leben, die Amtspraxis, die Ceremonien etc. etc., und es kann daher im Grunde niemand leugnen, daß von der Lehreinigkeit ein Fortschritt zur Einigkeit in diesen Dingen stattfindet, – daß Lehreinigkeit jedenfalls nicht das maximum kirchlicher Einigkeit sein kann. Sei es nun aber meinetwegen weder das maximum, noch das minimum, setze man zum Bestand der Kirche noch etwas Wenigeres und Geringeres, wenn es dazu hinreicht. Aber darin sind wir doch wohl alle einstimmig, daß Art. VII der Augsb. Conf. Lehreinigkeit gefordert und gerühmt wird, daß sie der Kirche geziemt. Warum jagt man nun nicht darnach, da es doch erweislich so verderblich gewirkt hat und noch wirkt, das Gegentheil bestehen zu laßen! Es gehen doch Seelen darüber verloren, welche Christus theuer erkauft hat! So zanken wir ums Wort, um eine Form, um eine

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)