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Thun des Einzelnen von einem ganz andern Maß des Segens begleitet. Treues, kirchliches Thun eines Pfarrers fruchtet, wenn es als Ausfluß dessen erkannt wird, was die „Gemeinde der Heiligen“ will und anstrebt. Da öffnen sich die Herzen der Gemeindeglieder, da neigen und beugen sie sich gerne, da faßen sie Vertrauen, da werden sie einmüthig und einträchtig, während ein vereinzeltes Werk, sei es auch noch so gut, leicht Parteimenschen sammelt und widerwärtige Parteien erweckt. – Man kann wohl sagen, daß Gottes Wort, abgesehen von der Zahl derjenigen, welche es bekennen, seine Wirkung und seine Kraft ausübe; aber man kann uns auch nicht widersprechen, daß es des HErrn Wille ist, eine einträchtige Kirche auf Erden zu haben, – daß der moralische, dem Worte vorangehende, auf seine Kräfte menschlich vorbereitende, für sie empfänglich machende Eindruck eines zahlreichen und einmüthigen Vorangangs im Guten, – daß die, fast möchte ich sagen, natürliche Wirkung einer Gemeinschaft der Heiligen in der göttlichen Pädagogie des menschlichen Geschlechts eine bedeutende Stelle einnimmt, von Gott gewollt und gesegnet ist. Das Gesetz ist ein Zuchtmeister auf Christum, – und eine Schaar zur Rettung der Seelen vereinter Knechte und Kinder Gottes, die in Eintracht ihres HErrn und Vaters Werke wirken, ist es nicht minder; ja sie ist wie ein glücklicher Elieser, der dem ewigen Bräutigam manche Seele mit Willen wirbt und manches Herz und manchen Willen vor und zu ihm neigt.

 Hier stehen wir vor einer Quelle unsers Jammers. Kennt man seine Pfarrkinder, sieht man vom Altare auf sie, ach, es ist dann gewis nicht geheimer Pharisäismus, wenn sich selbst unter dem Dreimalheilig und Hosianna des Sakraments das Auge des Pfarrers mit bittern Thränen füllt. Aber gewis, nicht weniger tief erbebt das Herz, nicht weniger bitter rinnt die Thräne, wenn man von all dem Elend die Quelle fand, das uneinige Lehren und Handeln der Hirten. Qualis rex, talis grex. – Aus dem Zustand des Ministeriums lernt man den Zustand der Kirche und Gemeinden verstehen, ja ich fürchte, nicht blos den Zustand der fränkischen oder bayerischen Gemeinde, sondern vielleicht auch den der meisten Landeskirchen.

 Was nun zunächst Lehreinheit betrifft, so wird von manchen der bayerischen Landeskirche ein größeres Lob gespendet, als es der Verfasser dieses Blattes gethan hat. Er wollte gerne sein Urtheil zurücknehmen, wenn er dürfte. Allerdings wird jeder, der die Verhältnisse der bayer. Landeskirche auch nur ein wenig kennt, zugestehen, daß die Zahl offenbarer und kecker Rationalisten bedeutend abgenommen hat. Auch von den leitenden Oberstellen der Kirche, den Konsistorien, wird man ohne Schmeicheln sagen können, daß es ganz anders geworden ist, als es noch vor etwa 15 Jahren war. Allein wir dürfen nicht vergeßen, daß wir hier nicht blos von der Einigkeit in allgemein christlichen Ideen handeln, und daß wir mit der Einigkeit, welche man noch vor 15 oder 20 Jahren als ein großes Glück gepriesen hätte, durchaus nicht zufrieden sein können, wenn wir nicht das Vorwärtsschreiten hindern wollen, zu welchem uns der h.  Geist beruft. Es gilt hier nicht

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)