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Luther. Wittenberg.“] vor mir habe. Es heißt hier: „Es ist augenscheinlich und liegt gar am Tage, von wannen her die Priester zu fordern sind und auch dabei die Diener des Wortes Gottes, nemlich aus der Schaar, Menge und Versammlung Christi und sonst nirgend. Denn das ist je genug angezeigt, daß ein jeglicher Gewalt habe, dem Wort Gottes zu dienen; ja, es ist geboten, so er sieht Mangel und Gebrechen an denen, die dann die andern lehren gleichförmiger Weis, wie denn Paulus 1. Cor. 14. verordnet hat, daß die Kraft Gottes durch uns alle verkündigt würde. Wie möchte es denn sein, daß nicht vielmehr die ganze Gemeinschaft Gewalt und Befehl hätte, dieses Amt mit gemeiner Stimme und Erwählung etwa einem oder mehreren an ihrer Statt befehlen möchte, und nachmals diese andern, doch mit Zustimmung der Gemeine.“ (Im Latein: Hic luce clarius ac fide certius habemus, unde petendi sint sacerdotes seu ministri verbi, scilicet ex ipso grege Christi ac nusquam alibi. Nam ubi id monstratum est evidenter, habere unum quemque jus ministrandi verbi, immo praeceptum, si viderit vel deesse qui doceant, vel non recte docere, qui adsunt, ut 1. Cor. 14. Paulus statuit, quo virtus Dei annuncietur per nos omnes; quomodo non multo magis jus ac praeceptum habebit tota aliqua universitas, id officii communibus suffragiis alicui uni vel pluribus vice sua committere, et illi deinceps aliis, accedentibus eisdem suffragiis.)

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  Es ist keine Frage, daß Luther namentlich in den zwei schon genannten Schriften im Grundgedanken, daß das Amt in Vollmacht der mit dem allgemeinen Priesterthum bekleideten Gemeinde verwaltet werde, mit den sächsischen Brüdern übereinstimmt, und wir wollen hernach diesen eigentlichen Dissenspunkt zwischen P. Grabau und den Sachsen vorlegen. Aber, und das wollt ich eben sagen, – in der Praxis stimmt Luther mit den Sachsen nicht. So fest Luther im Grundgedanken: „das Amt stammt von der Gemeinde“ – steht und den Böhmen danach räth; so gibt er doch ziemlich aufrichtig zu, daß die aus dem Grundsatz kommende Praxis, gemäß welcher eine Gemeinde sich selbst Lehrer setze, ein, wenn gleich nicht ohne alles Beispiel des Alterthums, zu setzendes Novum sei; es ist ihm die Wahl eines Bischofs durch die Gemeinde etwas Großes; er will von der Gemeinde allein nur im höchsten Nothfall wählen und alsbald nach beseitigtem Nothstand das Ministerium an die Spitze treten und – allerdings im Einklang mit der Gemeinde – handeln laßen. Jeder dieser Sätze ist aus den obigen Schriften strictissime zu beweisen, und daran denkt Luther nicht, daß im geordneten Zustand der Kirche die Ortsgemeinde ohne Ministerium berufen und wählen solle.[1] Wie die betreffenden symbolischen Stellen (z. B. in den Schmalk.


  1. Er überläßt es auch ausdrücklich den nach seinen Rathschlägen gewählten Nothbischöfen oder Pastoren, sich einen oder mehrere Oberbischöfe oder Visitatoren zu wählen. „Wenn es sich mit Mitwirkung Gottes dermaßen schicken wird, daß viele Städte auf die Manier ihre Bischöfe wählen werden, nachmals so mögen die Bischöfe, wenn sie wollen, unter ihnen überein kommen, und einen oder mehrere aus ihnen ausschließen und erwählen, die ihre Fürnehmsten und Obersten seien, d. i. ihnen Handreichung beweisen, sie visitiren und heimsuchen, so lang bis das Böhmer Land wieder zu ihrem rechten und evangelischen Erzbisthum kommen und sich kehren möge.“
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/108&oldid=- (Version vom 1.8.2018)