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seyn, wenn der Leib unverloren ist? Ist nicht nach des Herrn höchsteigenem Ausspruch die Seele viel mehr, als der Leib? Wenn nun Gottes väterliches Auge über den Leichnamen der Todten wacht: wie viel mehr über ihren Seelen! Wenn der Leib im Tode nur entschläft, so geziemt ja der Seele, weil sie mehr ist, als der Leib, daß sie im Tode vielmehr frei werde und erwache. Wartet der Leib im Grabe auf den Tag der Auferstehung, so muß die Seele an einem bessern Orte ihre Wartezeit verbringen, nämlich im stillen, friedenreichen Paradies, – in der Heimath, wo der Herr wohnt. Daher kann auch der heilige Apostel der Seele nach so freudig sprechen: „Ich habe Lust abzuscheiden, – ausser dem Leibe zu wallen, – daheim zu seyn bei dem Herrn!“

 3. Nach diesem erlaubet mir, meine Theuern, euch den trostreichen Inhalt unserer Epistel weiter vorzulegen:

 a. Für’s Erste finde ich es sehr tröstlich, daß St. Paul in unserm Texte die Todten mit dem süßen Namen „Entschlafene“ benennt. So ist also der Tod ein Schlaf, wie denn auch der Herr von Jairi Töchterlein sagt: „sie schläft“ und von Lazaro: „Unser Freund schläft.“ Wenn ein Mensch den Tod einen Schlaf nennen würde, so wollte ich’s für eine bildliche Redensart halten, und mein Herz könnte sich mit ihr nicht trösten. Weil aber Jesus, Gottes wahrhaftiger Mund, es sagt, so muß es kein bloßes Bild, sondern es muß eine große Wahrheit dabei seyn. Ja! Gotte leben alle Todten! Abraham war längst gestorben, als sich Gott noch einen Gott Abraham’s nannte. Gott aber ist nicht ein Gott der Todten, sondern der Lebendigen (Matth. 22, 31. 32). Darum muß Abraham auch im Tode lebendig seyn sammt allen, welche in seinem Schoße liegen. – Sehen wir nun einen frommen Sterbenden, so sehen wir einen Entschlafenden. Stirbt er hart, so sagen wir: er schläft schwer ein, – denn man schläft auch sonst manchmal schwer ein, wenn man nicht