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Bräutigams Jesu, mit Seinen Worten im hohen Liede, Cap. 6, 12., predige ich euch: „Kehre wieder, kehre wieder, o Sulamith, kehre wieder, kehre wieder!“ Ja, zu einer ernsthaften Rückkehr zu Gottes Worten, oder, was nach der gegebenen Erklärung dasselbe ist, zu einer heiligen Reformation rufe ich euch Alle, und jedes Einzelne von euch allen auf! – Ihr wundert euch, daß ich eine solche Sprache führen mag? Aber, Brüder, Schwestern, es ist mein voller, im Herrn erwogener Ernst, – ja, ich getraue mich am jüngsten Tage mehr noch zu verantworten, ich getraue mich, zu sagen: es ist des Herrn Zebaoth höchst eigener Wille und Befehl, daß wir wie Luther und unsere Väter zurückkehren zu Gottes Wort und reformiren. Denn es ist höchst, höchst nothwendig.

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 Wahr ist’s, daß kein Volk auf dem Erdboden so von Gott begnadigt ist, wie Deutschland, denn in unsrer Mitte stand der Mann Gottes Luther auf, und kein Volk kann sich rühmen, Gottes Wort so hell und allgemein verständlich, so gewaltig und herzergreifend in seiner Sprache zu haben, wie wir. Deutschland ist gleichsam Gottes auserwähltes Volk und neutestamentisches Israel. Uns ist viel Gnade widerfahren, aber lasset es uns nur nicht verhehlen, lasset uns nur mit Daniel, Cap. 9, niederfallen, und wie das Volk Israel zu Esra’s Zeiten, weinend vor unserm Gott bekennen: „Wir, unsere Könige, unsere Fürsten und unsere Väter müssen uns schämen, daß wir uns an Ihm versündigt haben. Wir sind abtrünnig geworden und gehorcheten nicht der Stimme des Herrn, unsres Gottes, daß wir gewandelt hätten in Seinem Gesetz, welches Er uns vorlegte durch Seine Knechte, die Propheten; sondern das ganze Israel übertrat Dein Gesetz und wichen ab, daß sie Deiner Stimme nicht gehorcheten.“ Wir haben uns verführen lassen von benachbarten Völkern und des Abweichens so viel gemacht, daß nicht zu sagen ist. Gottes Wort ist bei sehr Vielen in unserer Zeit so verachtet, daß