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nach ihrem Gewissen, und einen solchen kann man dem grundguten und heiligen Gott freilich nicht zuschreiben. Die heilige Schrift hingegen kennt einen reinen und heiligen Zorn, und schreibt diesen reinen, ungetrübten, aber eben deshalb höchst ernsten und unbesieglichen Zorn Gotte zu. Der Herr zürnt über alles Böse und haßt es; der Stellen, wo Sein eigenes Wort es versichert, sind so viele, daß kein fleißiger Bibelleser daran zweifeln wird. Und weil in uns Menschen das Böse ist, so zürnt Gott auch über uns: auch davon zeugt das Wort des lebendigen Gottes unwidersprechlich. Nicht allein aber zürnt Gott mit den Menschen (das wäre nicht mehr, als recht ist, denn unsere Sünde ist zu groß); sondern auch der Mensch, d. h. wir zürnen mit ihm, dem dreimal Heiligen, der trotz Seines Zorns, den Er über uns haben muß, dennoch nach Seiner großen Geduld uns Tag für Tag Gutes erweis’t an Leib und Seele. Der Mensch zürnt mit seinem Gott, das Geschöpf mit seinem Schöpfer. Oder habt ihr noch nicht so tief in euer eigenes Herz hineingesehen, ihr Menschenkinder, daß ihr den tiefen Widerwillen erkannt hättet, welcher sich in dessen Tiefe gegen Gott verbirgt? Die Welt spricht: ei, wer sollte mit Gott in Feindschaft leben? Dennoch aber setzt sie feindlich ihre Weisheit gegen Gottes Weisheit, ihren Willen gegen Gottes Willen, ihre Wege gegen Gottes Wege, Gottes Seligkeit und Weg zur Seligkeit gefällt ihr nicht; kurz, sie ist Ihm in Allem zuwider, und doch behauptet sie, sie sey Ihm gut. Sie übertritt alle Seine Gebote, und will doch nicht Namen haben, daß sie mit Ihm zürne. Sie hält Seine Forderungen für übertrieben und rächt sich durch Spott und Hohn an denen, welche ihr dieselben einschärfen, und will dennoch Gottes Freundin heißen. Gott spricht: „Der Welt Freundschaft ist Gottes Feindschaft.“ Die Welt spricht: man kann Gott dienen und auch der Welt. Ich denke, meine Theuren, es leuchtet ziemlich ein, daß Gott und die Welt wider einander