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war ein heller Nachmittag, der für meine Seele etwas eignes hatte. Ich gieng Hand in Hand mit der Geliebten einem Dorfe zu, in welchem ich dem Pfarrer, meinem Freunde, das heil. Mahl zu reichen hatte. Sie erzählte mir in ihrer Weise, was sie aus der Betstunde gemerkt hatte. Wir verweilten bei dem Gedanken, daß die heil. Kirche einem langen Pilgerzuge gleiche, dessen erste Schaaren schon in Zion seien, während die andern noch hienieden wallen. Wie freute ich mich mit ihr! – Auf dem Heimweg recapitulirte sie ihren Lebensgang, tadelte, was sie an sich alles tadelhaft fand, freute sich wieder der Gnade! Ich achtete mich so reich, als sie mit mir in’s stille Haus zu den geliebten Kindern trat. – Ich wurde zuerst krank. Ein heftiger Grippanfall warf mich hin. Helene diente mir mit einer Freundlichkeit, bei der mir wunderlicher Weise war, als wolle sie mein Unwohlsein auf sich nehmen. Ich genas durch Anfälle von Ohnmachten. Sie hingegen begann unwohl zu werden. Schon bald sagte sie zu mir: „Laß lieber mich sterben, an mir ist wenig gelegen!“ Ihr Uebel bildete sich zu Brust- und Unterleibsentzündung und gar bald zu jenem schrecklichen Nervenfieber aus, dem ihre ohnehin sehr nervenschwache Anlage nicht widerstehen konnte. Wie oft hatte mich diese Anlage geängstigt, – und nun kam, was ich fürchtete. Sie gerieth oft in Phantasieen: ihre Seele war dann im himmlischen Jerusalem und in Tempeln, auf deren Kanzeln zur Predigt zu steigen sie mich dringend ermunterte. Sie hatte dann eines Engels Angesicht, ihre Züge strahlten vor Freude! – Am Dienstag vor ihrem Tode kämpfte sie einen wahrhaftigen Todeskampf; aber wie