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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

ohne Bekenntnis. Man kann auch den Odem nicht zurückhalten, wenn er da ist, ihn nicht in der Brust verschließen. So kann sich keiner vornehmen, innerlich zu loben, äußerlich zu schweigen: es geht nicht. Verworfen ist der Schweigende, wie der Lästerer − und die Sein sind, können leiden und sterben, aber von Ihm schweigen können sie nicht!

 Wenn du dieß zweite nicht schön, nicht süß, nicht nöthig findest, wie wird dir das dritte gefallen können? Wenn dirs keine Freude ist, für Ihn zu reden, wie wirst du gerne mit Ihm oder für Ihn leiden? Petrus redete nicht bloß für Ihn im Garten, er handelte auch, griff zum Schwert: dennoch vermochte er nicht, mit Ihm zu leiden. Er wendete das Schwert ab von Seiner Brust, das unter dem Kreuze die gebenedeite Mutter durchdrang: er verleugnete, um nicht zu leiden. Und du solltest für den HErrn nicht reden, und doch für und mit Ihm leiden können? Meinst du denn, daß man das Große kann, wenn man zum Kleinen die Kraft und Geduld nicht hat? − Ach daß man Ihn so wenig liebt! Daß man mit Ihm nicht leiden, Ihm nicht leidend gleich werden mag, da Er hier doch auch ein Leidender gewesen ist! Daß man sich vor Seinem Leiden scheut, da es doch auch außer dem Christenstande unmöglich ist, auf Erden ohne Leiden zu leben! Man mag ein Gotteskind oder ein Weltkind sein, so muß man leiden. Das Weltkind leidet trostlos für seine Sünden und seine Leiden sind Vorwehen der Hölle. Gottes Kinder leiden mit dem HErrn JEsu Christo, in der seligsten Gesellschaft, für Ihn, und ihre Leiden sind das Ende alles des bösen, was sie zu erdulden haben. Und man will doch lieber den Anfang ewiger Leiden als das Ende zeitlichen Wehes, lieber leiden mit Gewißensunruhe und Angst, als leiden mit Freuden! Man will dem Schwert entgehen, das eine kleine Zeit durch die Seele dringt, ohne doch zu tödten, − und läuft ewigen Schwertern und ewigen Todesschmerzen entgegen? Ach, wie sind wir so thöricht, so gar ohne Berechnung unsers ewigen Wohlseins!


 Ernste Lebenszeit! Folgenreiche Zeit! Kleine Zeit und doch Mutter unserer Ewigkeit! − Wenn wir sie doch recht benützten! Eins vor allem andern sollten wir doch schaffen: so zu leben, daß uns kein Tod noch jüngster Tag von Christo und Seiner Kirche trennen könnte! Wir sind im Schooße der Kirche geboren und sie hat uns Lieb und Dienst von Kindesbeinen an erwiesen! Immer hat sie ihre Hände ausgestreckt, uns zu halten, wenn wir straucheln wollten, − und auch im Fall uns zu bewahren, daß wir an dem Felsen Christus nicht zerschellen möchten. Und der HErr Selbst hat uns so hoch geliebt: denn es ist ja Seine Liebe, wenn uns Seine Kirche hält und trägt, die Liebe Christi hält und trägt uns so. Wie leicht hätten wirs also, bewahrt zu bleiben fürs ewige Leben! Wir haben ja von Christo und den Seinen so viel Unterstützung, daß aufstehen, stehen bleiben, bekennen und leiden uns leichter wird, als so manchem, der vereinsamt, ohne die Wohlthaten der heiligen Kirche, sein Gläubelein hüten und bewahren soll zum ewigen Leben. − Laßen wir uns doch helfen zum ewigen Heile, zur Gemeinschaft der Heiligen im Himmel, zum Anschauen Christi! − Beten wir: HErr, lehre mich thun nach Deinem Wohlgefallen! Dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn! HErr, lehre mich bedenken, daß ich sterben muß, auf daß ich klug werde! Amen.




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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 046. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/57&oldid=- (Version vom 22.8.2016)