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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

dem Worte Unglaube, und die Hölle abscheulicher als mit dem Worte Verdammnis?


 Indes, der HErr läßt es nicht bei Verheißung und Drohung, die beide in die Ewigkeit hineingreifen; Er bekräftigt und bethätigt Seinen gnädigen Willen, lieber selig zu machen, als zu verdammen, durch zeitliche Gaben, welche sammt und sonders zu keinem andern Zweck verheißen, zu keinem andern gegeben werden, als dazu, die Menschen vom Weg des Verderbens auf den des ewigen Lebens zu führen. Alle diese Gaben sollen den Dienern und Gliedern der Kirche gegeben werden und die Predigt des Evangeliums über den Erdboden begleiten; sie sollen folgen denen, die da glauben und im Glauben reden, auf daß die Herzen durch sie der Welt entzogen und zum Glauben, so wie zum Eintritt in die heilige Kirche, geneigt gemacht werden. − Der Satan und seine Engel widerstreben der Heiligung des Menschen; ihre Bosheit dehnt sich bis zu Besitzung und Beseßenheit aus. Da verheißt nun der HErr eine Hilfe. Diese Hindernisse sollen verschwinden. „In Meinem Namen werden sie Teufel austreiben,“ spricht Er von den Seinen − und verheißt also nichts anders, als daß die Hölle vor Seinem Namen zittern und ihre Glieder vor demselben aus Burg und Haus entfliehen sollen. − Die Menschenzunge, so wie sie ist, ist zu schwach, die großen Thaten Gottes zu preisen; die alten Sprachen der Welt reichen nicht aus für die brennende Liebe des heiligen Geistes, wenn Er über die Jünger kommt mit Seinem Lichte und Seiner Offenbarung. Neues bringt Er vom Himmel, neues Leben wirkt Er, neue, nicht bloß andere (Luc. 2, 4.) Zungen gibt Er und neue, nie gekannte Sprachen für das neue Leben. Alles ist neu. Neu tönts innen, neu tönts aus dem Innern heraus: sich und andern zum Zeichen und Wunder stehen die Kinder des neuen Testamentes − und „reden in neuen Zungen,“ denen unter ihren Brüdern allein verständlich, welchen der Geist gibt, zu verstehen, wie Er den heiligen Rednern gibt, auszusprechen. Sieh, hier ist das Gegentheil der Beseßenheit und der Wirkungen des Teufels erkennbar − Gottes voll sind die Heiligen, wie die Beseßenen des Teufels voll sind. Sie bewältigen durch Gnade den Teufel − und sind selbst bewältigt vom Geiste des HErrn: frei von Hindernissen ist ein mächtiges Fördernis des eigenen Lebens über sie gekommen. Sie sind Gefäß? und Werkzeuge des heiligen Geistes: was ist anders zu erwarten, als daß vor solcher innerlicher Macht, vor welcher die Teufel weichen, auch die Uebel entfliehen oder ihre Kraft verlieren müßen, welche man natürliche zu nennen pflegt. Es gibt Uebel in der Natur, welche, wie sie aus der Sünde stammen, auch oftmals mächtige Hindernisse des Reiches werden, deßen letztes Ende und letzte Absicht eine Erlösung von aller Sünde und von allem Uebel ist. Darum müßen auch sie weichen vor den mächtigen Boten des Evangeliums. Es soll am Anfang des Reiches Gottes schon die Herrlichkeit des Endes kund werden; im Anfang soll sich das Ende spiegeln. Die Gläubigen der ersten Tage − und welche ihnen gleich sein werden in der Folgezeit − sollen „Schlangen vertreiben,“ auf daß des Weibessamens Sieg über allen Schlangensamen kund werde, und selbst wenn sie „etwas Giftiges trinken soll es ihnen nicht schaden.“ Weder der Thiere, noch der Menschen Bosheit, noch des Schierlings und anderer Kräuter Gift soll also den segensreichen Flug des Evangeliums über die Erde hin aufhalten; vielmehr soll alles Uebel weichen, wenn Gottes Boten kommen, selbst die leiblichen Krankheiten entfliehen und die leiblich Kranken unter den Händen der Friedensboten genesen, auf daß auch ihre Seelen während der Gnadenfrist noch genesen und zum ewigen Leben kommen können, ehe sie sterben.

 Als der Prophet Elia gen Himmel fuhr, ließ er seinem Nachfolger Elisa seinen Mantel zurück, durch welchen dieser Wunder that. Aber was ist der Mantel Eliä gegen die nachgelaßenen Kräfte und Verheißungen JEsu, durch welche alle Hindernisse, die von Teufeln, Menschen, Thieren, Pflanzen stammen, weggeräumt und herbeigebracht werden[.] Sicherheit und Gesundheit des Leibes nicht allein, sondern auch Seligkeit der Seelen! Denn es werden von dem HErrn alle die zeitlichen Gaben, welche unser Evangelium benennt, doch nur verheißen zum Fortgang Seines Reiches, zur Hinderung und Minderung der Verdammnis und zur Mehrung der Seligkeit. Es muß alles dem heiligen Amte dienen, das Er Seinen Boten auftrug, nemlich die verlorenen Schafe herbeizubringen aus allen Kreaturen und Seine heilige Kirche zu sammeln.


Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/235&oldid=- (Version vom 4.9.2016)