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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Ernte der blutigen Leidenssaat halten. Aus dem Jauchzen jenes Erntetages heißt uns St. Petrus die Ansicht der hiesigen Verfolgungsleiden nehmen.

 Noch steigert sich aber der Gedankengang des heiligen Petrus, aus dem wir seine Lehre von dem Leiden der Christen entnehmen. War es schon ein gewaltiger Aufschwung des Gedankens, die Leiden als die Ursache großer Freuden hier und dort zu bezeichnen, so erhebt sich St. Petrus nun noch höher, wenn er im 14. Verse die, welche im Namen JEsu geschmäht werden, geradezu selig preist. „Selig seid ihr, wenn ihr im Namen JEsu geschmähet werdet.“ so ruft der Apostel, und bezeichnet also das Leiden im Namen JEsu geradezu als das herrlichste Loos, welches der Mensch nur finden kann. Und in der That, wenn einem Redner das Thema gestellt würde: „Selig zu preisen sind die, welche um des Namens JEsu willen leiden,“ so würde es ihm an Gedanken nicht fehlen können, den Satz zu begründen und gegen alle Einwendungen zu vertheidigen. Doch würde er nicht auf diejenige Begründung kommen, die wir aus der Feder des heiligen Apostels in unserm Texte lesen, weil diese Begründung rein auf der göttlichen Offenbarung und der seligen Erfahrung leidender Christen beruht, die menschliche Vernunft aber, selbst die geheiligte, auf sie hin keinen Schluß zu machen weiß. „Selig seid ihr,“ sagt St. Petrus, „denn der Geist, der da ist ein Geist der Herrlichkeit und Gottes, läßt sich auf euch zur Ruhe nieder; bei denen, die euch schmähen im Namen JEsu, wird er gelästert, eurethalben aber wird er gepriesen.“ Warum also werden die Geschmähten selig gepriesen? Weil sich der Geist Gottes auf sie zur Ruhe niederläßt, also in ihnen selber große Ruhe und Erquickung wirkt, und allen denen den Himmel aufthut und seine Freuden, welchen die verfolgende Welt auf Erden Raum und Dasein nicht mehr gönnt. Indem die Verfolger die Christen um deswillen schmähen, daß sie Anhänger JEsu Christi geworden sind, also die beste Wendung ihres Lebens wie Verbrechen, Schmach und Schande behandeln, lästern sie den heiligen Geist, welcher selbst diese Wendung bewirkt hat, schelten und schmähen die Wirkung Deßen, der kein Uebel thut, sondern alles wol macht. Indem hingegen während der Schmähungen der Welt Ruhe, Friede und Erquickung des heiligen Geistes in die Herzen der Heiligen herniederkommt und sie nun auch gar nicht sorgen was sie reden, wie sie sich vertheidigen und benehmen sollen, weil ihres Vaters Geist nach der Verheißung Christi in ihnen wirkt und redet, wird der Geist Gottes hoch gepriesen und sein Dasein und Thun unter den Heiligen selbst verherrlicht. Damit ist allerdings des Apostels Wort von dem seligen Glück der Leiden gerechtfertigt und die Beispiele dazu sind in der Geschichte der christlichen Kirche Legion, von dem Erzmärtyrer Stephanus an bis herunter zum Märtyrer der allerletzten Zeit. Warlich, da blühen unter den Dornen die Rosen, und in der eisigen Kälte der Lieblosigkeit dieser Welt ein Paradies, von dem die Welt weder etwas weiß noch erfahren kann! Und wenn nun der Apostel zu dieser Stufenleiter, die wir aus seinem Worte entnommen haben, weiter nichts hinzu thäte, so könnte man fast traurig darüber werden, daß wir so selten berufen werden auf dieser Stufenleiter etliche Sproßen zu ersteigen, daß der Haß der Welt so thatlos ist und der Geist Gottes so wenig Ursache hat, sich in unsre Herzen zur Erquickung niederzulaßen. Es ist kein Wunder, wenn die alten Christen nach dem Martyrium hungerten und dürsteten, da ihnen die Freuden und Seligkeiten desselben durch der Apostel Mund und Hand so groß und schön vor Aug’ und Ohr gemalt waren.

 Doch eröffnet der Apostel auch noch einen andern Blick in die Leiden der Christen, einen Blick, der zwar genau genommen auch Freudenpforten öffnet, der aber doch auch Mühe hat, durch die Nacht der Leiden sich zu dem Lichte der freudigen Pforten hindurch zu ringen. Denn er sagt im 17. Vers: „Die Zeit ist da, daß das Gericht vom Hause Gottes den Anfang und Ausgangspunkt nehme.“ Also hebt die Gnade, in welcher die Kinder Gottes wandeln, das Gericht über ihre Sünden nicht auf, und es geht im neuen Testament wie im alten, die Sünde wird vergeben und doch geahndet. David wird von der Barmherzigkeit Gottes mit Gnade und Frieden überschüttet, er ist nach großen Sünden wieder der Mann nachdem Herzen Gottes; aber das Schwert bleibt doch über ihm und über seinem Hause, Absaloms Aufruhr und seiner Frauen Schande kommt nichts desto weniger doch. So mit allen Heiligen Gottes. Der HErr ist mit ihnen, Er prüft sie durch Leiden, gibt ihnen mitten in den Leiden selige Freuden hier und die Anwartschaft

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 077. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/84&oldid=- (Version vom 1.8.2018)