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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

ich freute mich der Bemerkung, wie ganz ungesucht sich die Verwandtschaft der Gedankenfolge unsres Textes, und der des lutherischen Katechismus, also die Schriftmäßigkeit des letzteren herausstellt. So ist es, die Kirche ist ganz Ohr, wenn Christus und Seine Apostel reden, und verbreitet unter ihre Kinder nichts anders, als was sie von ihrem ewigen Bräutigam empfangen hat. Der göttliche Ton der heiligen Apostel und das menschliche Bekenntnis der Kirche sollen zusammenstimmen und stimmen auch zusammen, wie man aus diesem Texte sieht.

 Bei sothaner Eintracht Christi und Seiner Braut, wäre es nun, meine lieben Brüder, nur unbegreiflich, wenn nicht auch eure Herzen mit einstimmten in den Ruhm und Preis der Taufe, ihrer seligen Wirkungen und ihres großen Urhebers, – unbegreiflich, wenn ihr eure Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens nicht beugen, nicht groß achten, ehren und segnen wolltet dies Waßerbad, das Gott unser HErr nach den Worten Seiner heiligen Apostel so groß achtet, so hoch ehret und so reichlich segnet. Mir ist es, meine lieben Brüder, bei diesem Texte und bei dieser Betrachtung, wie wenn ich JEsum sähe, unsern Erlöser, wie Er den Geist aussendet zur Taufe, nach des Vaters Willen, und wenn Er von Seinem hohen Throne, vor meinen Augen dies durchgeistete, urkräftige Element Seines himmlischen Bades über die Völker ausgöße. Die Taufe und Wiedergeburt der Völker erscheint mir als ein Ziel Seiner eignen Geburt, und wenn ich Seiner eignen Taufe gedenke, so leugne ich zwar nicht im mindesten, daß auch Ihm damit etwas geschehen ist, daß auch Seine heilige Menschheit durch die Taufe gesalbt ist mit Freudenöle, mehr denn Seine Genoßen; aber es scheint mir auch, als würde durch Seine Taufe die Taufe selbst getauft und gesalbt, der Jordan und alle Waßer, wie die Alten sagten, zur seligen Sintfluth eingeweiht. Er wird getauft, Er tauft, Er läßt taufen unter allen Völkern, und dies Werk und Geschäft darf nicht aufhören, Waßer und Geist nicht mangeln, bis daß Er kommt, bis daß der letzte Jude und Heide, und das letzt geborne Kindlein selig geworden ist durch dies allmächtige Waßer. So seh ich meinen HErrn und Heiland immer als Täufer, wie seinen Engel Johannes. Die Taufe wird mir zu einem Zweck Seines Lebens, Seines Sterbens, Seiner Auferstehung, Seiner Himmelfahrt, also ohne Zweifel auch Seiner Menschwerdung, und mir berührt sich das Fest Seiner Geburt und die Freude meiner Wiedergeburt ganz nahe, denn Seine Geburt bringt meine Wiedergeburt. „Dieser ists, der da kommt, mit Waßer und Blut, nicht mit Waßer allein, sondern mit Waßer und Blut,“ mit dem Waßer der Taufe, und mit dem Blute des heiligen Abendmals. Gelobet sei der da kommt mit dem Waßer und Blut im Namen des HErrn, der in zweien Sakramenten alle seine Gnaden bringt. Ich küße ihm die kleinen Hände für die doppelte Gabe und bete an den Knaben, der auf dem Wege der stillen Sakramentsverwaltung uns allen die Kräfte der zukünftigen Welt und das ewige Leben zuführt. Euch aber, meine Brüder und Schwestern, mahne ich zum Schluß, daß ihr die Taufe achtet und jeden Getauften liebet, und ehe sein Tag verronnen nicht leicht das Urteil fället, seine Taufe habe ihm nichts genützt, auch keinen Gottlosen tröstet, seine Taufe werde ihm nicht schaden. Ja die Taufe ist glühendes Feuer aufs Haupt, das entweder die Natur verklärt, oder mit ewigem Feuer verbrennt: zu jenem helfe, vor diesem bewahre uns unser lieber HErr Gott in Gnaden, um JEsu Christi willen. Amen.




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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 051. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)