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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

getröstetes Elend genannt werden kann, wenn es köstlich ist. Da ist es mir nur herzlich leid, klagen zu müßen, daß in unserer Kirche auf die große Anzahl allezeit vorhandener Trauerleute zu wenig Rücksicht genommen wird. Die Leichenfeiern sind schön und herrlich, die unter uns gangbar sind; aber reichen sie denn hin, die Trauernden zu trösten? Ich bin der Meinung, die Zahl der Trauerleute sei in jeder Gemeinde allezeit so groß, daß auf sie wenigstens in jedem Sonntagsgottesdienst, jeder Communion, Rücksicht genommen, die tröstende Hoffnung der Auferstehung der Todten hervorgehoben und unsere in Christo fest gewurzelte Gemeinschaft mit den in Christo Entschlafenen bekannt und gefeiert werden sollte. Wie dem Leben Salbung und hohe Feier mangelt, wenn man nicht in Hoffnung der herrlichen Zukunft Christi und der Ewigkeit lebt; so ist auch der Gottesdienst nicht was er soll, wenn er nicht immer an den offenen Pforten der großen Zukunft und im Morgenstrahle der Ewigkeit gefeiert wird. Es fehlt ihm seine Vollendung, wenn er bloß für die Zeit eine Stärkung ist, nicht aber für den Tod, und die Zeit da wir außer dem Leibe leben. Darum laßt uns, theure Brüder, nicht bloß vermißen, was fehlt, nicht bloß wünschen, daß es erstattet werde, sondern auch beten und arbeiten, so viel an uns liegt, dem Gottesdienst seine Beziehung zur Ewigkeit, den Trauernden gottesdienstlichen, oft wiederkehrenden Trost, der Gemeinde aber Ausspruch und Bewußtsein zu geben, daß Eine und einig ist die Gemeinde derer, die hier im Leibe streiten, und derer, die da schlafen dem Leibe nach, denen aber bereits der Seele nach das ewige Licht leuchtet. Amen.




Am sechsundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.

2. Thess. 1, 3–10.
3. Wir sollen Gott danken allezeit um euch, lieben Brüder, wie es billig ist. Denn euer Glaube wächset sehr, und die Liebe eines jeglichen unter euch allen nimmt zu gegen einander; 4. Also, daß wir uns euer rühmen unter den Gemeinen Gottes, von eurer Geduld und Glauben, in allen euren Verfolgungen und Trübsalen, die ihr duldet; 5. Welches anzeiget, daß Gott recht richten wird, und ihr würdig werdet zum Reich Gottes, über welchem ihr auch leidet; 6. Nachdem es recht ist bei Gott, zu vergelten Trübsal denen, die euch Trübsal anlegen. 7. Euch aber, die ihr Trübsal leidet, Ruhe mit uns, wenn nun der HErr JEsus wird offenbaret werden vom Himmel, sammt den Engeln Seiner Kraft, 8. Und mit Feuerflammen, Rache zu geben über die, so Gott nicht erkennen, und über die, so nicht gehorsam sind dem Evangelio unsers HErrn JEsu Christi; 9. Welche werden Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesichte des HErrn, und von Seiner herrlichen Macht; 10. Wenn Er kommen wird, daß Er herrlich erscheine mit Seinen Heiligen, und wunderbar mit allen Gläubigen. Denn unser Zeugnis an euch von demselbigen Tage habt ihr geglaubet.

 DEr heutige epistolische Text, genommen aus dem Anfang des zweiten Briefes an die Thessalonicher, hat seinen Schwerpunkt in seinem zweiten Theile, welcher ganz nach dem Gedankengange, den die Kirche am Ende ihres Jahres einhält, von der Wiederkunft Christi handelt. Der erste Theil des Textes, wenn auch der sprachlichen Fügung nach Hauptsache, tritt doch zurück und läßt die Palme dem zweiten. Dieser erste Theil eröffnet nämlich den ganzen Brief und enthält den Dank des Apostels für den geistlichen Zustand der Gemeinde von Thessalonich und für die Erhörung, welche sein im ersten Briefe 3, 12. ausgesprochenes Gebet um ein reiches, überströmendes Maß der Liebe gefunden hatte. Wir, die wir die Gewohnheit haben, die Summe unsrer epistolischen Texte und alle hauptsächlichen Gedanken derselben vor unserem betrachtenden Auge vorübergehen zu laßen, wollen, obwohl durch die Jahreszeit auf das Ende der

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/548&oldid=- (Version vom 1.8.2018)