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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Am fünfundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.

1. Thess. 4, 13–18.
13. Wir wollen euch aber, lieben Brüder, nicht verhalten von denen, die da schlafen, auf daß ihr nicht traurig seid, wie die andern, die keine Hoffnung haben. 14. Denn so wir glauben, daß JEsus gestorben und auferstanden ist; also wird Gott auch, die da entschlafen sind durch JEsum, mit Ihm führen. 15. Denn das sagen wir euch, als ein Wort des HErrn, daß wir, die wir leben, und überbleiben in der Zukunft des HErrn, werden denen nicht vorkommen, die da schlafen. 16. Denn Er Selbst, der HErr, wird mit einem Feldgeschrei und Stimme des Erzengels, und mit der Posaune Gottes hernieder kommen vom Himmel, und die Todten in Christo werden auferstehen zuerst. 17. Darnach wir, die wir leben und überbleiben, werden zugleich mit denselbigen hingerückt werden in den Wolken, dem HErrn entgegen in der Luft, und werden also bei dem HErrn sein allezeit. 18. So tröstet euch nun mit diesen Worten unter einander.

 DAs Kirchenjahr wendet sich zu seinem Ende wie eine Kreislinie, welche bei ihrem Endpunkte zu ihrem Anfangspunkte heimkehrt. Am Anfang des Kirchenjahres war die christliche Hoffnung das große Thema der gewählten Lectionen und Vorträge, und am Ende desselben wird derselbe Gedanke der königliche und herrschende. Und zwar halten alle Texte der drei letzten Sonntage des Jahres den Gedanken so klar und deutlich fest, daß es jedermann erkennen kann, und daß ich von heute an auch füglich euch und mir die Mühe ersparen kann, den Zusammenhang des Evangeliums und der Epistel nachzuweisen: es sieht ja jedermann, der ein Auge hat zu sehen, wie auch alle Episteln mit allen Evangelien der drei letzten Sonntage ganz übereinstimmen im Vortrag und Bekenntnis der großen Hoffnung aller Christenheit. Allenfalls kann es mir bloß obliegen, die Besonderheit unsres heutigen epistolischen Textes namhaft zu machen; sie besteht darin, daß die christliche Hoffnung als Todestrost an den Gräbern der Christen aufgefaßt ist. Daß es also ist, springt wieder in die Augen, und wer es recht scharf ansehen will, der gehe eben mit uns in die Betrachtung hinein, so wird es ihm klar werden.

 Was unter der christlichen Hoffnung zu verstehen sei, habe ich wohl in diesem Vortrag nicht abermals zu erklären, da ich es schon so oft gethan habe. Ihr könnet euch gewis erinnern, daß ich euch mehrfach nachwies, des Christen Hoffnung sei die Wiederkunft des HErrn und was mit dieser für den Christen zusammenhängt, also die Auferstehung der Leiber, die selige Versammlung der Auferstandenen zu dem HErrn. Ganz so ist es auch in dem heutigen Texte. Der erste Vers der Epistel, der 13. des Textcapitels, gründet allen Todestrost der Christen ausdrücklich auf die Hoffnung; die übrigen Verse legen die Hoffnung aus. Begehrst du etwas von der Wiederkunft Christi selbst zu hören, so kann dir der 16. Vers zu Dienste sein. Da liesest du die prächtigen Worte: „Er Selbst, der HErr, wird mit dem Feldgeschrei (oder mit lautem Zuruf Seiner endlichen Befehle), mit der Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes vom Himmel herabkommen.“ Also Seine eigene die Welt beherrschende Stimme wird man alsdann hören, diese Stimme, deren Laut gegenwärtig kein Sterblicher vernimmt, wenn auch ihre Kraft die Welt beherrscht. Sein eigner lauter Ruf wird vernommen werden, die Stimme des Erzengels wird dazu kommen und die Posaune Gottes ertönen, – und unter dem Schlachtruf des allerhöchsten Feldherrn, unter dem Nachklang der Stimme Michaels, unter dem Ton der Posaune Gottes wird ER, der Richter der Welt, der Helfer der Seinen, vom Himmel herab,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/542&oldid=- (Version vom 1.8.2018)