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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

voll Demuth und Beugung, erkennt er dennoch in Hoffnung sich als ewigen Besitzer eines unendlichen Besitzes. Abgestorben für das Zeitliche ist er lebendig für das Geistliche und Ewige und damit recht geeignet, für andere ein Vorbild zu werden in geistlicher Armuth und geistlichem Reichtum, im Nichtshaben und Alleshaben, in Demuth und hochgemuthem Wesen. Wie können vor solchem wahrhaft heiligen und salbungsvollen Beispiele die Feinde des Kreuzes bestehen?

 Der Apostel verfolgt übrigens die von ihm gegebene Beschreibung des bösen Beispiels seiner Feinde noch weiter, und zwar so, wie eine Parallellinie neben der andern einherläuft, ohne je von ihr zu weichen oder sich ihr zu nahen. Von den Feinden sagte er, ihr Bauch sei ihr Gott – ihr Ende aber sei Verderben, Verwesung, Vernichtung, Auflösung des Götzen in Unrath und Nichts. Dagegen, dem gegenüber redet er von einer „Verklärung seines nichtigen Leibes, daß er ähnlich werde dem verklärten Leibe Christi“. Er, St. Paulus, und die ihm nachfolgen, sehen auf den Leib nicht; ihn kleiden, ihn speisen, ihn erhalten – ist bei ihnen eine untergeordnete Nebensache, welche vor dem Bekenntniße des Kreuzes Christi und vor dem Ruhme der ewigen Vaterstadt und dem Trachten nach ihr weit in den Hintergrund tritt. Dem Alltagssinn und Götzendienst der Bauchdiener, der Sorgensclaven, der Anbeter eines gemächlichen Leibeslebens gegenüber kann es gar keinen kräftigeren Gegensatz geben, als den der fröhlichen Armuth derer, die auf Erden nichts bedürfen und nichts suchen, vielmehr jeden Mangel gerne tragen, weil sie doch ewig geborgen sind. Und wie nun hier auf Erden schon ein geistlicher Gegensatz der Seelen sich zeigt: so wird sich je länger, je mehr auch ein ewiger, leiblicher Gegensatz entwickeln. Der Götze des leiblichen Lebens, der Bauchdienst endet zu seinem Hohn und Spott nicht bloß hier in Verwesung, – das würde noch nicht genug Gottesspott auf solch ein Leben sein: nein, es kommt am Tage der Wiederkunft Christi ein Verderben, eine Verdammnis auch des Leibeslebens, welcher gegenüber die Verwesung nur ein schwaches Vorbild sein wird. Was wird dann jenen Sclavenseelen des Bauches an jenen großen Tagen gegeben werden? Doch kein Leib der Herrlichkeit, doch keine Leiblichkeit auch nur wie die hiesige; doch gewis nur eine Verderbnis, eine Verdammnis, d. i. ein Leben des Leibes, das Tod sein und im Elend der Verwesung und abscheulichsten Verworfenheit sich abmühen wird, nicht zu sein, was es ist, und doch ewig nicht aufhören kann, ein Verderben zu sein. Dagegen wird denen, welche hier zuerst getrachtet haben nach dem Reiche Gottes und Seiner Gerechtigkeit, eine Leiblichkeit zufallen, die im Vergleiche zu diesem nichtigen, geringen Leibe, wenn sie nicht gewis und wesentlich Eine und dieselbe mit ihm wäre und wenn nicht eine unvertilgbare Ueberzeugung davon jedem Seligen gegeben würde, das reinste Gegentheil und etwas ganz Anderes zu sein scheinen würde. „Aehnlichkeit mit dem verklärten Leibe Christi“, – großer Gott, wer könnte das nur nach dem, was wir an Christo während Seines vierzigtägigen verklärten Erdenwandels nach Seiner Auferstehung warnehmen können, ich will nicht sagen „faßen“, sondern nur glauben, wenn nicht der Apostel ausdrücklich auf die göttliche Kraft Christi hinwiese: „damit er kann auch alle Dinge sich unterthänig machen“. Wir wißen, daß wir Christo auch in Seiner Auferstehung dem Maße der Verklärung nach nicht gleich werden können. St. Paulus sagt, es werde ein jeder Stern und jeder Leib seine eigene Klarheit haben. Leuchtet Christus wie die Sonne schon auf dem Berge der Verklärung, geschweige in Seinem neuen Leibesleben nach der Auferstehung; so können wir doch nicht in gleichem Maße leuchten und verklärt sein. Nicht gleich, aber doch ähnlich werden wir Ihm sein. Aber auch das ist groß und schön, eine Aussicht für die armen Dulder im Leibesleben hier auf Erden, die entzücken kann, die auch zur Nachfolge Pauli reizen kann. Da ist dann keine Verwesung, keine Verderbnis des Leibes mehr, sondern eitel Klarheit – und wie wir dazu setzen müßen, eitel Ehre und Herrlichkeit.

 Wie kann eine solche Verklärung ohne Ehre und Herrlichkeit abgehen? „Ihre Herrlichkeit, ihre Ehre ist in ihrer Schande,“ bezeugt der Apostel von denen, die er als Aergernisse und warnende Exempel hinstellt. Was Schande ist, haben sie zur Ehre verkehrt, nemlich eben ein Leibesleben in Gemach und Bequemlichkeit statt Hingabe der Glieder und des ganzen Leibes zum Opfer Gotte. Da wird ihnen

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/533&oldid=- (Version vom 1.8.2018)