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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

beßer ist, denn alles Wißen, auf daß ihr erfüllet werdet mit allerlei Gottesfülle. 20. Dem aber, der überschwänglich thun kann über alles, das wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die da in uns wirket, 21. Dem sei Ehre in der Gemeine, die in Christo JEsu ist, zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.


 DAs Evangelium vom Jüngling zu Nain – und diese euch eben verlesene Epistel: wie verschieden! Kaum wird jemand bei Vergleichung des Hauptinhalts schnell finden, wie sie beide zusammengehen. Und doch stehen sie mit vollem Rechte nachbarlich zusammen. Wende deine Blicke in die zwei letzten Verse des Evangeliums, was liesest du? Die große Ehre Gottes, welche aus der Todtenerweckung des Jünglings von Nain erwuchs. „Große Furcht kam über alle, und sie priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden und Gott hat Sein Volk heimgesucht. Und diese Rede gieng aus in ganz Judäa und in der ganzen Umgegend.“ So lesen wir. Sieh nun zum Vergleich an den Schluß der Epistel, so wirst du finden, daß auch hier die zwei letzten Verse im höchsten Ton die Ehre Gottes verkünden. Es ist freilich da nicht die Ehre Gottes aus Todtenerweckungen, sondern aus andern Ursachen hergeführt. Auch heißt es da nicht: „der HErr hat Sein Volk heimgesucht,“ es ist nicht von Israel die Rede. Aber die Ehre, wie sie in der Epistel noch größere Ursachen hat, als in dem Evangelium, so erstreckt sie sich in der Epistel auch weiter als im Evangelio. Ihr bemerket, meine Brüder, daß ich ein wenig zurückhaltend rede und noch nicht frei her ausgegangen bin mit dem Grunde der Ehre Gottes in der Epistel. Allein es thut nichts; wenn ihr begierig seid, Grund und Ursach zu wißen, so wird euch bei einiger Aufmerksamkeit bald genug Antwort und Nachricht werden.

 Erinnert euch einmal lebhaft an den Inhalt der Epistel. Der erste Vers (Vers 13.) enthält eine Bitte an die Gemeinde von Ephesus, der Abschnitt Vers 14–19 eine Bitte St. Pauli an Gott, und die zwei letzten Verse (20. 21.) erheben sich zu einer feierlichen Lobpreisung des Allerhöchsten. Hiemit hat man eine Uebersicht des ganzen Textes. Wenn man aber auch nach diesem Schema den Inhalt der drei Theile durchlaufen kann, so findet man doch nicht weder Grund und Ursach der Bitte, noch des Gebetes, noch der Lobpreisung, und man weiß dann also auch nicht, in welcher Beziehung die Ehre Gottes in der Epistel erhöhet wird. Und doch muß man das wißen, zumal da der andere Tagestext, das Evangelium, der Ehren Gottes Ursach so klar und deutlich angibt. Man muß daher, wenn man diesen Text kennen lernen oder gar ihn auslegen will, zu den drei Theilen des Textes einen einleitenden ersten aus dem Zusammenhange des ganzen Kapitels suchen, und wird ihn, wenn man ihn sucht, auch finden. Ich werde euch diesen Theil auch nennen; aber ich erlaube mir, voran den Inhalt des ganzen Textes in Einen Satz zusammenzufaßen, der sich dann leichtlich in die vier einzelnen Abtheilungen zerlegen wird, welche wir kennen zu lernen haben.

 St. Pauli Bitte an die Epheser, sein Gebet zu Gott, sein Lobgesang an Ihn, – alles in Beziehung auf das hohe Geheimnis vom Bau der Kirche Gottes auf Erden, – ist unsers Textes Inhalt.

 Da habt ihr nun, meine Brüder, Grund und Ursach zur Ehre Gottes in der Epistel. Sie preist Gott wegen des Baues der ganzen Kirche Gottes, das Evangelium aber wegen Heimsuchung des Volkes Israel.

 Das wollen wir nun näher ansehen und kennen lernen. Zuerst müßen wir voraussenden, worauf sich das Ganze des Textes bezieht, nemlich St. Pauli Rede von dem Baue der Kirche. Dann betrachten wir die darauf bezügliche Bitte an die Ephesier, sein Gebet zu Gott und endlich seine Lobpreisung, ein jedes nach Maßgabe des Textinhaltes und unsers geringen Verständnisses davon.

 Das Geheimnis vom Bau der Kirche Gottes ist uns kein Geheimnis mehr. Wir kennen es von Jugend auf und finden es so ganz natürlich, daß wir gar nicht mehr faßen, wie das nur eine Ursache großen Ruhmes und Preises Gottes und einer so hohen Erhebung und Begeisterung sein kann, wie wir sie bei St. Paulo in unserm ganzen Texte finden können. Nach den Worten St. Pauli Vers 6. besteht dies Geheimnis darin, daß die Heiden durch das Evangelium Miterben und miteingeleibt und Mitgenoßen an der Verheißung Gottes in Christo JEsu

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/484&oldid=- (Version vom 1.8.2018)