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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

weil ich wirklich nicht wüßte, in welch anderer Weise den jungen, neueintretenden Soldaten Christi mehr Muth zu ihrer Heerfahrt gemacht, mehr Glück zum seligen Gelingen geweißagt werden könnte. Die Kirche Christi hat die Confirmanden und Firmlinge allezeit als Anfänger im Kampfe betrachtet, wie diejenigen wohl wißen, welche die Geschichte der Confirmationshandlung auch nur ein wenig kennen gelernt haben. Es ist daher eine von alten Zeiten her ererbte wohlüberlegte und geziemende Anwendung die von unserem Texte bei der Confirmation gemacht wird. Wer von Euch die Erinnerung hat, mit den Worten unseres Textes den Confirmationssegen bekommen zu haben, der frische das Andenken in sich auf und erkenne in dem ihm zugesprochenen Segen eine heilsame Einladung, sich selbst in gleicher Weise oftmals anzureden und sich für den Kampf des Lebens zu stärken. Ist es den unerprobten und unerfahrnen Kräften der Confirmanden nützlich, sich diese Sprüche zuzueignen, so wird es denen, die da müde werden, und die des Satans List und Kraft und die Schwierigkeit des Kampfes erfahren haben, um so nöthiger sein, sich immer aufs Neue mit dem himmlischen Zuruf zu stärken, bis sie vom Kampf entbunden werden durch den Sieg. O könnte mein armes Fingerdeuten, mein geringes Aufzeigen eines Wortes nach dem andern Euch ermuntern, Eure müden Glieder in der Hitze des Streites Eures Lebens zuweilen in die kühlenden und stärkenden Fluthen dieses Textes unterzutauchen! –

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 Wer im Kampfe wider den Teufel ist, was bedarf der? Gnade bedarf er. Die Gnade muß ihm die Kraft zu führen, die schwere Aufgabe zu lösen. Es ist eine bekannte Sache, durch Gottes Wort und die Erfahrung gleich erprobt, daß wir von Natur keine Kraft zum Guten haben, und keine eigne Gerechtigkeit, uns im Kampfe des Lebens bis zum Siege zu halten. Unser Hort und der Brunnquell alles Guten ist und bleibt der Gott aller Gnade. Den rufe man in dem Kampf zu Hilfe, Den ergreife man im Glauben, so ist uns geholfen. Schon in diesem Namen „Gott aller Gnade“ liegt daher Kampfestrost und Stärke. Doch zeigt uns der Apostel nicht allein die innerliche Hilfe, die wir bedürfen, sondern Er eröffnet uns auch einen hellen Blick auf das Ziel und Kleinod, dem wir entgegen ringen, auf daß uns nicht allein die Gnade innerlich stärke, sondern auch der leuchtende Glanz unseres Kampfpreises locke und alle Kräfte in uns aufbiete, sich muthig und treulich aufzuopfern, um eines solchen Zieles würdig zu werden. Dies Ziel wird uns in den apostolischen Worten gezeigt: „der uns berufen hat zu Seiner ewigen Herrlichkeit in Christo JEsu.“ Es ist nicht die Rede von der Seligkeit und dem ewigen Leben, deßen wesentliche Anfänge die Gläubigen aus lauterer Gnade Gottes schon hier in diesem Leben zum freien Geschenk erhalten, sondern von der ewigen Herrlichkeit, von der auch St. Paulus, Petri großer Genoße, sagt, daß sie, daß Preis und Ehre und Dank und unvergängliches Wesen gegeben werden sollen denen, die in Geduld mit guten Werken nach dem ewigen Leben trachten. Auch diese ewige Herrlichkeit wird dem Menschen aus pur lauterer Gnade gegeben; das gesammte, wenn auch noch so treue Verhalten, wenn auch noch so untadelige Benehmen eines Streiters Christi, der sich selbst erkennt, wird doch nimmermehr so überschätzt werden dürfen, daß man ihm als gerechten Lohn und wohlverdientes Eigentum jene Herrlichkeit zusprechen dürfte. Wenn im eigentlichen Sinne vom Verdienst die Rede sein sollte, so könnte man gewislich in keinem Fall sagen, daß ein Mensch die ewige Herrlichkeit verdiene. Allerdings aber ist zwischen der Seligkeit und der Herrlichkeit doch ein Unterschied. Während die Gnade Gottes bei Ertheilung der Seligkeit auf das menschliche Verhalten keine Rücksicht nimmt, so ist bei dem ewigen Gnadenlohn der Herrlichkeit allerdings eine Rücksicht genommen, und das Maß der ewigen Herrlichkeit in Christo JEsu, das ewige Verdienst unsers HErrn JEsus Christus in Ehre und Preis und Dank, wird dem Menschen nur je nach seiner Bewährung zuertheilt. So wird denn hier in unserem Texte dem getreuen Kämpfer die ewige Herrlichkeit als Gnadenlohn gezeigt, als Lohn des Kampfes und damit in der Angst und Noth des Streites uns armen Leuten ein tröstender Zuspruch aus der Höhe gegeben. Innerlich Gnade zum Kampf, von außen, ja von oben her die lockende Aussicht auf eine unbeschreibliche Herrlichkeit und die Glorie eines ewigen Daseins, schon diese beiden Dinge scheinen völlig hinzureichen, um uns dem Ruf des Apostels: „dem widerstehet fest im Glauben“ gehorsam zu machen. Aber der

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 023. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/399&oldid=- (Version vom 1.8.2018)