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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Diakonus oder Armenpflegers genommen. „So jemand dienet, ermahnt St. Petrus, daß er es thue nach dem Vermögen, das Gott darreicht.“ So wie bei dem ersteren Beispiel das Wort Gottes die Sache und das Gut ist, welche verwaltet werden soll, so ist es bei dem zweiten die zeitliche irdische Gabe des Almosens. Und wie der Hirte und Lehrer die Gnadengabe hat, Gottes Worte als Gottes Worte zu gebrauchen; so hat der Diakonus, der Armenpfleger die Gnadengabe, die zeitlichen Güter und Almosen nach der von Gott dargereichten Macht, d. i. nachdem vorhandenen Maße der Güter selber für die Nothdurft der Armen anzuwenden. Zwar haben manche davon nichts wißen wollen, daß in diesen beiden Beispielen die Gnadengabe des Presbyters und des Diakonus beispielsweise vorgelegt werde, sie haben die erste Ermahnung: „So jemand redet, daß er es rede als Gottes Wort“ auf alle Reden aller Christen bezogen, den zweiten Satz aber: „So jemand dienet, daß er es thue aus dem Vermögen, das Gott darreicht,“ wenn auch nicht auf alle Christen, doch auf alle Aemter unter den Christen bezogen, wie denn auch Luther übersetzt: So jemand ein Amt hat etc. Allein auf diese Weise paßt der erstere Satz nicht zum ganzen Zusammenhang. Es ist ja von Gnaden und Gnadengaben die Rede, und da möchte man denn fragen, ob der Satz, wenn er von einer Gabe redet, nicht von einer allgemeinen Gabe reden müße, ob dann nicht von allen, die da reden, also von allen Christen verlangt werden müße, daß sie alles, was sie reden, als Gottes Worte reden sollen: ein Verlangen, dem ohne Zweifel keine Statt gegeben werden kann, denn wie könnten wohl Alle alle ihre Reden als Gottes Worte halten? Das kann man wohl von den Hirten und Lehrern fordern und von ihren amtlichen Vorträgen, dagegen aber ist es eine unmögliche Sache, alles was man im ganzen Leben redet, als Gottes Wort zu reden. Wird sich aber dies einem jeden, der überlegt, empfehlen, so wird auch der zweite Satz von denen, die da dienen, sich leicht und natürlich auf das apostolische Amt des Diakonus oder Armenpflegers anwenden. Da paßt dann auch alles, die Kraft, die Gott darreicht, man verstehe darunter die materielle Kraft des Almosens, oder die Kraft des Geistes und Körpers, welcher ein rechter Diakonus zum Dienste der Armen und Elenden bedarf. Da sehen wir dann auch die beiden stehenden Aemter apostolischer Gemeinden mit ihren Gnadengütern und Haushaltungsgaben, wie sie von der Liebe in die Hand genommen und von dieser besten unter allen Haushälterinnen Gottes zum Wohle der Gemeinden angewendet werden. Wenn so die Liebe über Gottes Gaben und Güter waltet, ja über Gottes Aemter, dann wird auch Gott gepriesen durch JEsum Christum, der Seiner Gemeinde die Güter, die Gaben, die Aemter ausgemittelt und verschafft hat, dann dient auch alles mit einander zum Preise des Christus, dem in die Ewigkeiten der Ewigkeiten die Herrlichkeit und die Kraft des lebendigen Gottes beigelegt ist. Da wird alsdann der Vater gepriesen in dem Sohne und der Sohn geehret zu desto größerer Ehre Seines Vaters.

 Mäßigkeit, Nüchternheit, Gebet, Liebe, mächtige angestrengte Liebe, welche die Sünden bedeckt, dem Fremdling dienet, Güter und Gaben und Aemter als Gottes gute Haushälterin seliglich verwaltet: dieser schöne Inhalt der Epistel, die wir gelesen haben, leitet uns in die Woche hinüber, die vor dem Pfingstfest hergeht. Dieser Inhalt ist eine Prüfungstafel, wirkt Scham, Reue und Verzagen bei allen denen, die sich richtig und ernstlich prüfen, treibt aber auch hinein ins Gebet und erweckt in uns die große Sehnsucht, solch pfingstmäßiges frühlinghaftes Leben in unsere Seelen zu bekommen. Da helfe uns denn der HErr Selber, der im Himmel ist, der aufgefahrene ewige Hohepriester, erhörlich beten und seufzen, und wende uns nach der Macht Seines Königreichs ein Pfingstfest zu, das uns innerlich mit den reichen Gaben beschenke, von denen unser Text spricht. Amen.




Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/309&oldid=- (Version vom 1.8.2018)