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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Glauben an die Gottheit JEsu, an Seine Menschwerdung, an Sein Leiden und Sterben, an Seinen Krieg und Sieg, an Seine Auferstehung und Erhöhung. Indem er das that, indem es ihm gelang, brachte er die Kirche über die böse Zeit hinüber und stählte sie zum Siege, zur Ueberwindung der widerwärtigen, weltgesinnten Lehrer, der Werkzeuge der alten Schlange, die nun zwar Christum nicht mehr vom Throne Seines Vaters stoßen kann, aber dagegen desto eifriger, fleißiger und tückischer den Schafen auf Erden nachtrachtet, unter denen sie die Gegenwart ihres ewig guten Hirten mit ihrem, für alles Göttliche geblendeten Auge nicht wahrnehmen kann.

 Sehet, meine lieben Brüder, hier ist das Ende des Gedankengangs unseres Textes. Gottes Zeugnisse wirken Glauben, der Glaube hält die Zeugnisse Gottes fest, der Glaube scheidet den Menschen von der Welt und erneut ihn durch und durch, der Glaube kommt in die Feindschaft der Welt und überwindet dieselbe mit seiner Gotteskraft, steht endlich siegreich und triumphirend auf jedem Schlachtfeld und erhebt sein Haupt zu Dank und Preise Deßen, von dem er stammt. Der Glaube aber, von dem wir reden, ist nicht eine willkürliche Meinung und irgend ein menschlicher, festgehaltener Gedanke, sondern die Zuversicht, daß JEsus Christus der Sohn Gottes sei, denn das gerade ist es, was Gott vom Seinem Sohne zeuget. Wie Er zu dreien Malen während des Erdenlebens unsers HErrn vom Himmel bezeugte, daß JEsus Sein geliebter Sohn sei, so ist auch der Sinn des dreifachen Zeugnisses auf Erden und im Himmel kein anderer als derselbe, daß JEsus Christus Gottes Sohn sei. Das Waßer, das Blut und der Geist geben miteinander Einen harmonischen, einträchtigen Ton von der Menschwerdung Gottes und von der ewigen Vereinigung der Menschheit mit der Gottheit in Christo JEsu. Das Waßer hat keine neugebärende, das Blut keine reinigende und ernährende Kraft, dazu das Wort keinen Geist, der in alle Wahrheit leitet und Zeugnis gibt, daß der Geist die Wahrheit ist, wenn nicht die Menschheit mit der Gottheit in Christo JEsu Eine Person geworden. Aus dieser Vereinigung der Menschheit und Gottheit kommt dem Waßer, dem Weine, dem menschlichen Worte die göttliche Kraft des heiligen Geistes und des Blutes JEsu.

 Was ich euch gesagt habe, meine lieben Brüder und Schwestern, ist ein kleines, schwaches, schwankes Wort und eine ärmliche, geringe Darlegung einer überaus großartigen, reichen und herrlichen Epistel. Gottes Worte lesen und sie im stillen, verehrenden Glauben faßen, ist große Süßigkeit; aber neben dem Posaunenton des göttlichen Zeugnisses das menschliche, bewundernde Schweigen brechen und den armen Menschengedanken laut werden laßen neben Gottes reichem Donner, das ist ein Geschäft, welches, wenn irgend eines, in die Vernichtigung und in die tiefste Demuth führt. Ich muß mich durch einen Blick auf euch und euer Bedürfnis stärken, wenn ich euch vermahnen will, wenn ich euch sagen soll, was nach meiner geringen Ansicht aus dem Worte unseres Textes für euch hervorgeht. Ich muß euch ansehen, ihr Confirmanden, die ihr das Zeugnis des Blutes JEsu empfangen und heute in lebendige Erfahrung bringen sollt das Wort, das geschrieben ist: Dieser ists, der da kommt mit Waßer und Blut, nicht mit Waßer allein, sondern mit Waßer und Blut, – ja euch muß ich ansehen, wenn ich nach einem solchen Texte den Muth bekommen soll, euch und der übrigen ganzen Gemeinde zuzusprechen. Doch sei es gewagt und gesagt. Nehmet das Zeugnis Gottes im Wort und Sakramente an, ergreift es und haltet es fest, bekennet und prediget es, laßet es in euch wirken und walten, schaffen und neu gebären, und wenn euch die Welt zur Fremde und zu einer Welt voll Feinden wird, wenn Streit und Leid entbrennet, so fürchtet euch nicht, geht frisch hinein, nehmt Last und Leid auf eure Schulter, traget das Kreuz JEsu Christi, bis euch der Sieg vergönnt wird, der völlige, friedenreiche Sieg, dem kein fernerer Krieg, kein weiteres Leid mehr folgt. O, meine arme Ermahnung, mein schwacher Hauch, meine ohnmächtige Rede! Hilf Du, HErr und Gott, der Du mit den Zeugnissen von JEsu mitten unter uns waltest! Deine dreifache Stimme schlage an die Pforten und an die Ohren meiner Brüder und Deine wunderbare Kraft stärke, vollbereite, kräftige, gründe in uns allen, namentlich aber in diesen Confirmanden, den Glauben, der die Neugeburt vollendet und den Sieg über die Welt vollbringt! – Amen. –




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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/265&oldid=- (Version vom 1.8.2018)