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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

die Zerstörung der irdischen Gesundheit und des irdischen Lebens zur Folge haben; neben dem größten leiblichen Segen erscheint also ein schrecklicher, leiblicher Unsegen; neben ewiger Genesung Schwachheit, Krankheit und Tod des zeitlichen Lebens.

 Da ihr nun solches wißet, meine lieben Brüder und Schwestern, und hier versammelt seid, um zu Gottes Tisch zu gehen, so eilet, wendet eure Gedanken und schaffet mit großem Ernste, daß euch an diesem evangelischen Frohnleichnamstag des HErrn Seine himmlische Mahlzeit ja nicht zum Gerichte, oder gar zur Verdammnis gereiche, sondern lieber zu einem Schirme der Seele und zu einer Arzenei des ewigen Lebens. Heut ist das Abendmahl eingesetzt, aber gefeiert konnte es nicht werden, bevor der HErr gestorben, auferstanden und aufgefahren und Sein Geist über die Jünger gekommen war. Der Tag der Pfingsten ist auch der erste Tag des kirchlichen Brotbrechens und Abendmahlgehens. Vieles, Alles, was zur ewigen Erlösung Noth war, mußte geschehen, bevor man zum Sakramente gehen konnte, denn fast alle Arbeit JEsu und Seines Geistes gipfelt in diesem Sakramente und aller Segen, alles Verdienst Seiner Erlösung ist darin niedergelegt. Vor einem solchen Mahle habet Ehrfurcht, verwechselt es mit keiner irdischen Mahlzeit, macht es euch nicht zum Gifte, gebrauchet’s recht zur Seligkeit der Seelen und der Leiber, und der HErr Selbst, der gute Hirte, der auf grüne Auen und zu frischen Waßern Seine Schafe leitet, bewahre euch auf dem segenvollsten aller Erdenwege vor großem Schaden Leibes und der Seele. Amen.




Am Charfreitage.

(Am Nachmittag zur dritten Stunde.)
Jesaia 53, 1–12.
1. Aber wer glaubt unserer Predigt? Und wem wird der Arm des HErrn geoffenbaret? 2. Denn er schießt auf vor ihm wie ein Reis, und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt noch Schöne; wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. 3. Er war der allerverachtetste und unwertheste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor Ihm verbarg; darum haben wir Ihn nichts geachtet. 4. Fürwahr Er trug unsere Krankheit, und lud auf Sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten Ihn für Den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. 5. Aber Er ist um unserer Missethat willen verwundet, und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf Ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch Seine Wunden sind wir geheilet. 6. Wir giengen alle in der Irre wie Schafe, ein Jeglicher sahe auf seinen Weg: aber der HErr warf unser Aller Sünde auf Ihn. 7. Da Er gestraft und gemartert ward, that Er Seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführet wird, und wie ein Schaf, das verstummet vor seinem Scheerer, und seinen Mund nicht aufthut. 8. Er ist aber aus der Angst und Gericht genommen; wer will Seines Lebens Länge ausreden? Denn Er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerißen, da Er um die Missethat meines Volks geplaget war. 9. Und Er ist begraben wie die Gottlosen, und gestorben wie ein Reicher; wiewohl Er Niemand Unrecht gethan hat, noch Betrug in Seinem Munde gewesen ist. 10. Aber der HErr wollte Ihn also zerschlagen mit Krankheit. Wenn Er Sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, so wird Er Samen haben und in die Länge leben, und des HErrn Vornehmen wird durch Seine Hand fortgehen. 11. Darum, daß Seine Seele gearbeitet hat, wird Er Seine Lust sehen, und die Fülle haben. Und durch Sein Erkenntnis wird Er, mein Knecht, der Gerechte, Viele gerecht machen; denn Er trägt ihre Sünden. 12. Darum will
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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/234&oldid=- (Version vom 1.8.2018)