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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

müßen, was aller Seligen und Gläubigen größte Lust und seligster Gottesdienst ist. Es ist des Vaters großer Ernst und unwidersprechlicher Wille, daß Alles die Kniee beugen soll, vor Christo JEsu, auch Hannas und Kaiphas und die Schergen, die in den tiefen Leidenstagen JEsu einstmals spottweise ihre Kniee vor ihm beugten! – Indem ich dies redete, meine lieben Brüder, habe ich unvermerkt schon den Uebergang gemacht von der anbetenden Kniebeugung zu dem Bekenntnis der Herrschaft JEsu, welche Ihm der Vater gegeben hat. Nicht bloß soll jedes Knie sich beugen, sondern auch jede Zunge bekennen, daß HErr ist JEsus Christus, zur Ehre Gottes des Vaters. Es wird also eine Zeit kommen, wo der Befehl des HErrn, des Vaters, in Erfüllung geht und zu Seiner Ehre die Herrschaft Seines Eingebornen, des Menschensohnes, von allen Zungen bekannt wird. So wenig irgend wer sich durch eigenen Willen der Nothwendigkeit des Todes oder der Auferstehung entziehen kann, ebenso wenig kann sich irgend jemand dem Bekenntnis der Herrschaft JEsu entziehen. Zu diesem Bekenntnis kommt es noch bei einem jeden; und wenn auch von Ewigkeit zu Ewigkeit Himmel und Hölle und damit eine ungeheure Verschiedenheit des Urtheils bestehen wird, so wird doch ohne Zweifel in dem Einen am Ende und in Ewigkeit nur Eine Stimme werden und sein, daß man JEsus anbeten müße und Seine ewige Herrschaft anerkennen. Wenn man damit zufrieden sein könnte, daß diese ewige Eintracht hergestellt werden wird, so könnte man sich alle Mühe der Missionen, des Hirten- und Predigtamtes sparen, denn dahin kommt es, ohnehin. Das verlangt die Ehre Gottes des Vaters. Der will in Christo JEsu den Satan und alle seine Rotten überwinden. Er hat Sein Wort darauf gegeben, den Lauf Himmels und der Erde und ihrer Geschichte dazu eingerichtet, Seine Wahrhaftigkeit und Seine Treue, Seine Größe, Gerechtigkeit und Güte wird ohne das nicht erkannt; Seine Ehre kann nicht aufgerichtet werden, wenn die Herrschaft JEsu nicht allgemein erkannt wird; Seine Ehre steht und fällt mit der Ehre Seines eingebornen Sohnes, und darum müßen, müßen, müßen endlich alle Zungen bekennen, daß JEsus Christus der HErr sei, – sie müßen es bekennen willig oder unwillig, zu ihrer Seligkeit oder zur Verdammnis und zu ihrer ewigen Schande. O welche Blicke könnte man von dieser Höhe und Herrlichkeit JEsu in die finstre Nacht Seines Leidenstages thun, auf diese Juden, diese Hohenpriester, diese Pharisäer, diese Schriftgelehrten, die nicht bekennen wollten frei, daß Er ein HErr von allen HErren sei! Was könnte da die Phantasie für Bilder malen, das Bekenntnis des Hannas und des Kaiphas, die Kniebeugung Pilati u. dgl.! Aber laßet nur das alles mit einander sein, keine Phantasie reicht an die Wirklichkeit. Die Erfahrung, wenn sie kommen wird, wird alles überbieten, was man denken kann. Denn wie die Sonne aufgeht in ihrer Herrlichkeit und vor ihrem Lichte nichts verborgen bleibt, so wird auch die Glorie, die Kniebeugung, das Bekenntnis JEsu zu allen Creaturen und bis in die untersten Winkel der Hölle dringen, und Scenen wird es da geben, Vorgänge werden sich ereignen am Ende und in der Ewigkeit, Umstände und Verhältnisse der Kniebeugung und des Bekenntnisses JEsu werden da an’s Licht treten, für deren Bezeichnung kein Mensch auf Erden Licht und Wort besitzt.

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 Laßt mich davon schweigen, und dafür auf ein Wörtchen hinweisen, auf ein kleines, das aber dennoch die Erniedrigung und Erhöhung verbindet, wie etwa die Brücke, die über den Kidron gieng, unten im Thal den Oelberg mit den Bergen Zion verbindet. Dies kleine Wörtchen, das ich meine, steht am Anfang des neunten Verses, und heißt „darum“. Darum hat Ihn auch Gott erhöhet, darum hat Er Ihm den Namen über alle Namen gegeben. Worauf geht dies „darum“? Worin wurzelt die Erhöhung? Warum hat Ihm Gott den großen Namen gegeben? Darum, daß Er Sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, darum, daß Er Sich erniedrigt hat, darum, daß Er für uns gelitten, gestritten, geblutet hat und gestorben ist. Darum soll Er nun in die Länge leben, und des HErrn Vornehmen durch Seine Hand fortgehen, darum ist Er ein König der ewigen Herrlichkeit, darum gibt Ihm der HErr auch den Stuhl Seines Vaters David, darum legt Er Ihm auch Seinen Vater David zu Füßen, und läßt den Vater kniebeugen vor dem Sohn und auch Ihn bekennen, daß HErr sei JEsus Christus, zur Ehre des ewigen Vaters. So ist es. In den tiefen Thalen sind der hohen Berge Gründe und Wurzeln, auf denen die freien Gipfel ruhen, aus denen sie wachsen. Ehre darum den Thalen, Ehre den Todesleiden JEsu, Ehre Seinem unbegreiflichen Sterben,

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/228&oldid=- (Version vom 1.8.2018)