Seite:Wilhelm Löhe - Epistel-Postille.pdf/227

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Eine Stelle der heiligen Schrift sagt: „HErr wie Dein Name, so ist Dein Ruhm.“ Weiß ich nun nicht, welch höheren Namen der HErr ererbt hat, als den Namen JEsus, kann ich den Laut, den Klang nicht sagen, so weiß ich doch, daß des Namens Ruhm über alle Namen gehen soll. Als der HErr am Stamme des Kreuzes hieng, schrieb der bekannteste und doch verworfenste aller Landpfleger die Ueberschrift: „JEsus Nazarenus, König der Juden“; da sollte gekreuzigt, weggethan, in Vergeßenheit gebracht, qetödtet und erstorben sein, beides, die Würde eines Judenkönigs und der Name „JEsus von Nazareth, der ein König der Juden“ nach Gottes, der Engel, Seinem eigenen und aller Heiligen Urtheil war. Und als der HErr im Grabe lag, und die Juden mit Pilato wegen der nöthigen Wache verhandelten, da schien Er bereits keinen Namen mehr zu haben, sondern die Hohenpriester sagten zu Pilato Matth. 27, 63: „HErr wir haben bedacht, daß dieser Verführer sprach, da er noch lebte: Ich will in drei Tagen auferstehen“. Da ist Er schon halb verschollen, da scheints den Hohenpriestern wie aus tiefer Erinnerung empor zu dämmern, was Er einmal gesagt hat, da wird Er gar nicht mit Namen genannt, sondern man sagt blos „jener Verführer“. Aber wartet nur ein wenig, es wird sich ändern. „Als die Verführer, und doch wahrhaftig“, so sind die Apostel des Lammes erfunden, geschweige das Lamm Selbst. Er steht auf von den Todten und fährt auf über alle Himmel, und Sein Name wird der bekannteste in allen Reichen der Welt, vom Himmel bis zur Hölle. Unter den himmlischen Schaaren ist Lied und Lobgesang, und Summa alles Wißens, alles Singens und Sagens der Name: JEsus, JEsus! Auf Erden im Gnadenreiche ist Dank und Preis, Heil, Hilfe und Erlösung zusammengefaßt in den einen Namen: JEsus, JEsus! Und bei den Verlornen und Verdammten ist Inbegriff und Summa aller Angst und Pein und Schrecken der Name: JEsus, JEsus! Und ist in allen Reichen der Welt, bei dem HErrn Zebaoth und Seinen Heerschaaren kein Name wie der Name: JEsus, JEsus! –

.

 Aber nicht bloß der bekannteste unter allen Namen ist der Name „JEsus“; der Vater hat ihn nicht bloß in die Welt ausbreiten laßen, daß man ihn überall kenne, ehre und preise, sondern Er hat eine andere größere Absicht dabei gehabt. Nicht bloß das Lied der Engel, der Trost der Erde und der Schrecken der Hölle soll dieser Name sein, sondern es sollen sich alle Kniee beugen derer die im Himmel, auf Erden und unter der Erden sind, in diesem großen Namen, und es soll die Erinnerung an Den, der ihn trägt, ja die jedesmalige Nennung desselben, Anbetung wecken. Oder meinst du etwa, daß der Name des HErrn eine Kniebeugung erwecken solle, wie man etwa auch vor manchem Fürsten das Knie beugt, zur willigen Ehrerbietung und Ehrenbezeigung? Werden die höllischen Geister willig sein ihre Kniee vor dem HErrn JEsus zu beugen? Und ragt nicht schon eine Kniebeugung der himmlischen Geister, der Engel und Erzengel und Thronen über das Maß der bloßen Ehrerbietung hinaus? Kann denn von etwas anderem die Rede sein, als von Anbetung bei dem Menschen, der selbst Gott ist, und aus den Thaten einer solchen Arbeit und solcher Leiden empor gedrungen ist bis zu dem Lichte, in welchem Gott wohnt? Mich däucht, es ist ein Rest von Unglaube oder eine Anfechtung des Teufels, bei dieser Kniebeugung an etwas anderes zu denken, als an Anbetung, und diese herrliche Stelle, die uns nicht bloß zur Anweisung, sondern auch zum Troste gegeben ist, anders zu verstehen, als von der göttlichen Ehre, welche dem Menschensohne von wegen Seiner ewigen Verbindung mit Gott dem Sohne gebührt. Wenn aber auch von etwas anderem die Rede sein könnte, wenn möglicherweise unsre Textesstelle anders gefaßt werden dürfte; so treten doch andre Stellen auf und helfen der unsrigen zum Sieg, wie z. B. jene berühmte Stelle Offenb. Joh. 5, in der wir sehen, wie die Aeltesten des menschlichen Geschlechtes und die vier Thiere niederfallen vor das Lamm mit Harfen und güldenen Schaalen voll Rauchwerks, welches sind die Gebete der Heiligen, und dem Lamme ein anbetendes Lied darbringen, in welches alle Creaturen, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde und im Meere sind, im Chor von Millionen Stimmen einfallen und „Ja“ und „Amen“ singen. Streich aus, wenn du kannst, dies herrliche Kapitel, und versage, wenn du willst, die göttliche Ehre und Kniebeugung dem Lamme, das erwürget ist und auf dem Throne des Vaters sitzt! Wie lange wirds dauern, so mußt du, was du nicht willst, was auch die höllischen Geister

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/227&oldid=- (Version vom 1.8.2018)