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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

mehr als einen unzüchtigen und ungezogenen Jüngling erneut und zum lautern Manne bekehrt hat, Sein Werk in euch nicht aufgeben, bis daß der Bekehrten unter euch viele werden, und bis nicht allein des Apostels Verbot alles ungeziemenden Wesens in Buße und Treue von euch angenommen, sondern auch Sein heiliges Gebot in selige Uebung gebracht wird, denn unser Text verbietet nicht bloß, sondern er gebietet auch, er verbietet die Unreinigkeit, sonderlich auch in Worten, und gebietet die Danksagung. Dem Fleische angenehm scheinen wenigstens schandbare Worte, Narrentheidinge und Scherz, dem Geiste angenehm ist Danksagung. „Das ist ein köstlich Ding, dem HErrn danken, und Deinen Namen loben, Du Höchster“, singt man im Psalm, und wenn ein Mensch erneut ist und der Geist JEsu Christi in ihm wohnt, dann wird es ihm heilige Seelenlust und Wonne, heraus zu brechen in Lob und Preis und Danksagung des HErrn, seines Gottes. Ihr selbst wißt das, wenigstens zum Theil, ja auch manche unter euch, die bisher nicht haben den unreinen Brunnen der schandbaren Worte und Narrentheidinge beherrschen können, haben nichts desto weniger auch ein gewisses Maß von Erfahrung, wie selig die Seele ist, wenn der Geist der Danksagung Herz und Lippen bewegt. Stellet eine Vergleichung an, prüfet euch, wann waret ihr seliger und fröhlicher, wenn euer Mund Gott lobsang und danksagte, oder wenn der Schmutz und Schlamm der bösen Lust von ihm troff? Sagt auch ja nicht: Es ist wahr, Lobgesang und Dank ist reinere Freude, aber beide gehören nicht überall hin, sondern in’s Haus des HErrn. Beide gehören überall hin, in eure Häuser, auf eure Felder, auf eure Gassen, bei Tag und Nacht, ja sie gehören auch in eure Schenken: wo sie nicht hingehören sollen, da gehört auch kein Christ hin, und wo der Dank und Preis Gottes und Seines Christus nicht gehört, nicht angestimmt werden darf, da soll auch kein Christ gesehen werden, noch erscheinen, da kann es auch kein rechter Christ aushalten, da kann kein Kind der himmlischen Freude bleiben, denn da darf ja der Dank, des Christen süßeste Freude, nicht zum Worte kommen. Möchtet ihr doch das, meine lieben Freunde und Brüder, überlegen und euch darnach richten und einmal dem Geiste Gottes Raum geben, der euch im Worte der Apostel zu einem geziemenden Leben leitet.

 Merkwürdig ist es, daß mitten in diesen zweien Versen, die hauptsächlich vom sechsten Gebote handeln, ein Wort steht, welches in das siebente Gebot eingreift, nemlich das Wort Geiz, wie Luther übersetzt, oder Habsucht, wie es eigentlich heißt. Es ist dieselbe Verbindung des sechsten und siebenten Gebotes, welche wir in der vorigen Sonntagsepistel bemerken konnten und dieselbe Verbindung der Uebertretungen beider Gebote, welche uns bereits in der vorigen Epistel begegnet ist. Eine Verbindung ist es, welche sich aber auch im Leben sehr häufig zeigt. Daß Geiz im eigentlichen Sinne, das ist jene Art des Mammonsdienstes, welche die zeitliche Habe zusammenhält und sich aufs reine Sparen legt, weit mehr mit dem Scheine eines gottseligen und heiligen Lebens gepaart vorkommt, als mit Unreinigkeit und Unzucht, ist eine bekannte Sache. Diejenigen, welche die inneren Vorgänge des menschlichen Lebens erforscht und beschrieben haben, lehren uns also. Dagegen aber findet man das Laster, von dem der Apostel eigentlich redet, die Habsucht, jene Gier der Seele nach Mehrung des Vermögens, nicht gerade, um es einzusperren, sondern um es desto eigenwilliger gebrauchen zu dürfen, sehr häufig mit der zügellosen Begierde der geschlechtlichen Lust vereinigt. Beide sind wie Früchte eines und desselben Baumes, des Baumes nemlich der selbstsüchtigen Begier und des selbstsüchtigen Genußes. Beide sind einander ebenbürtig und wirken im Herzen deßen, der sie zusammenschaut, jenen gründlichen, eckelhaften Widerwillen, von welchem die Seele immer erfaßt wird, wenn ihr eine und dieselbe Sünde in Mannichfaltigkeit erscheint. Ja wahrlich, kaum kann eine Verbindung gedacht werden; die einen widerwärtigeren Eindruck hinterläßt, wo überall sie unter Christen erscheint. Daher verbietet sie auch der Apostel nicht blos in der vorigen, sondern ebenso in der heutigen Epistel, daher liest die Kirche an zwei aufeinander folgenden Sonntagen diese beiden Episteln. Es gilt nicht allein, jede von diesen beiden einzelnen Sünden zu bekämpfen, sondern es gilt, die Verbindung selbst zu verwerfen, und ich möchte das besonders um Derjenigen willen betonen, welche, wie sie unreine Lippen und unsittliches Geschwätz für ehrlich halten, so auch die Habsucht mehr für eine Tugend als für ein Laster achten.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/200&oldid=- (Version vom 1.8.2018)