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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

jenen in einer Reihe an. Wahrlich, er hat dazu auch hohe Ursache. Denn wenn St. Jakobus in seinem Briefe die Zunge ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit nennt, so könnte man dasselbe kleine Glied auch eine Welt voll Schmutz, voll Unzucht und Unreinigkeit nennen; so unermüdlich dreht und wendet sie sich bei manchem Menschen im Schlamme gemeiner, niederträchtiger Lüste. Der rohe, ungezogene Bauernbursche, das freche, schamlose Dorfmädchen, ergießen sich, wenn sie unter ihres gleichen verweilen und ihnen recht wohl wird, in Narrentheidinge und Possen, die keinem Menschen gefallen können. Bei den sogenannten vornehmen Ständen nimmt die Sache nicht immer, aber zuweilen einen etwas feineren Anstrich an, es verbindet sich damit ein wenig mehr Witz und geistreich sein sollende Schalkheit. Die Sache aber bleibt sich völlig gleich. Der Apostel sagt von allen Arten unzüchtiges Gewäsche vorzubringen, daß sie den Christen nicht geziemen. Wie viele Menschen sind, die mit sich und ihren Kindern ganz wohl zufrieden sind, wenn sich ihr unverschämtes Herz nur in weiter nichts als Worten ergießt, und doch könnten sie an sich selbst leicht merken und inne werden, daß kaum etwas die Seele mehr verunreinigt, eitel, leer, unzufrieden und lebensmüde macht, als die Hingabe in unsittliches Geschwätz, so plump oder fein es geformt sei. Es ist etwas Süßes um das Bewußtsein, sich in Worten christlich erzeigt zu haben; die ungeheuchelte Weisheit, nur Göttliches von den eignen Lippen kommen zu laßen, gehört im menschlichen Verhalten zu demjenigen, was am sichersten ein heiteres Wohlsein erzeugt. Dagegen aber wird das ganze innere Leben krankhaft, unrein und unbefriedigend, wenn sich die Zunge nicht immer auf’s Neue in Christi heilsame, schweigsame Schule ergibt, und das Herz nicht lernt gute Worte führen. Unter euch sind die meisten das Hören und Nachsagen unschöner Redensarten von Kind auf so gewohnt, daß man wohl zwanzig Jahre predigen, und zum Glück eines reinen Herzens einladen kann, ohne Frucht zu bemerken. Es geht mit der Unreinigkeit wie mit der Unreinlichkeit: mancher stirbt dahin, ohne auch nur zur Erkenntnis zu kommen, wie verwerflich vor Gott beide sind. Daher haben wir auch alle Ursache, immer auf’s Neue die Reinigkeit zu predigen und dem Sinn entgegen zu wirken, der vom Schmutze des täglichen Lebens unrein geworden ist und immer unreiner wird. Und das, meine lieben Brüder, das zu predigen, ist besonders heute meine heilige Pflicht und eure hohe Nothdurft. Ich warne euch daher namentlich vor den Sünden, deren Erwähnung die heutige Epistel kennzeichnet, vor schandbaren Worten, Narrentheidingen und Scherz. Ich weiß, wie leichtfertig sich Viele über diese Sünden hinwegzusetzen pflegen, wie vielfach sie geduldet, oder doch entschuldigt werden. Aber gerade deshalb ziemt es mir, euch die Worte des Apostels entgegen zu rufen: „Sie geziemen euch nicht“. Ein Christ soll unabläßig die ewige Heimat in Gedanken haben, mit den Sitten der Fremde sich nicht befreunden, seines himmlischen Vaterlandes würdig leben; wie könnte er da für schandbare Worte, Narrentheidinge und Scherz eine Entschuldigung finden! Der HErr und Sein Apostel sprechen: „Das geziemt euch nicht“. Was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lautet, was für Lob und Tugend gerechnet werden kann im Reiche Gottes, das geziemt sich, das sucht ein Christ; vor dem aber, was ein übler Geruch ist vor dem Angesicht des HErrn, vor dem Unflath, den die weltliche Zunge aus weltlichem Herzen ausspeit, flieht ein Christenmensch, wie ich euch das oftmals gesagt habe. Fast so oft ich es euch sagte, habe ich immer in der darauf folgenden Sonntagsnacht den Ungehorsam der hiesigen Jugend zu erfahren bekommen. Niemals habe ich mehr unzüchtiges, häßliches Geschrei, Narrentheidinge und Scherz bei nächtlicher Weile auf den Gaßen gehört, als wenn ich am Morgen vorher dagegen geredet hatte. Vielleicht wird auch am heutigen Abend demselben sündlichen Vergnügen gefröhnt. Das aber weiß ich dennoch gewis, daß euer Gewißen euch dafür straft, daß ihr in solchem Fall immer wider beßeres Wißen und Gewißen handelt, daß ihr wohl wißet, solche Dinge geziemen euch als Christen nicht. Ihr werdet auch dieses Widerspruchs gegen Christum und Seine heiligen Apostel und Propheten niemals froh werden können, denn ihr habt die Wahrheit zu oft gehört und der Geist des HErrn hat euch zu oft und tief gefaßt. Es ist ein Streit und ein Gericht in euch, von dem ich nur wünsche, daß es hinaus gehen möge zum Sieg, nemlich zum Siege JEsu, zum Siege eures eignen beßren Selbstes.

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 Möge der HErr, der heilige Geist, der schon

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/199&oldid=- (Version vom 1.8.2018)