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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

es ja doch nicht zu Corinth, daß dem heiligen Paulus das Wort nicht geglaubt worden wäre, das er sagte; als ein wahrhaftiger und treuer Zeuge war er anerkannt, und konnte er von einer Entzückung bis in den dritten Himmel erzählen, so fand er Glauben bei der Gemeinde. Eben damit aber mußten die Feinde Pauli überwunden, die Gemeinde mit ihrem geistlichen Vater aufs neue vereinigt, und die große Seelengefahr beseitigt werden, in welcher sie schwebte.

 Das ist der zweite Theil der Rede Pauli von sich selbst, meine lieben Brüder, welcher für uns durch die mancherlei Beziehungen auf die Ewigkeit und eine überirdische Welt auch dann von großer Bedeutung sein würde, wenn uns an dem Siege St. Pauli über seine Gegner und der glänzenden Rechtfertigung seiner amtlichen Stellung und Treue nichts läge. Zu hören, daß es einen dritten Himmel gibt, daß es möglich ist in denselben mit der Seele, ja auch mit Leib und Seele hingerückt zu werden, und dort Unaussprechliches zu vernehmen, was hernach im wieder eintretenden natürlichen Zustand nur wie ein verborgener Schatz in der Seele ruhen, aber nicht gesagt werden kann: das hat allein schon hebende und beseligende Kraft genug. Der Himmel scheint näher, wenn man so deutlich sieht, daß man ihm näher kommen kann, und das ewige Leben ist gewis, wenn man seine Freuden und seine Herrlichkeit sogar in diesem Leben inne werden kann. –

 Von den himmlischen Freuden des heiligen Apostels haben wir zuletzt gehört; gewis sind sie ein laut redendes Zeugnis wie seine menschlichen Leiden, gegenüber seinen Feinden. Ein nicht geringeres Zeugnis legen aber auch St. Pauli dämonische Leiden ab. Das könnte man so begründen, daß man spräche: Freilich, wo Gott so erhöht, und zu sich zieht, wie es bei Paulo in der geschilderten Entzückung der Fall war, da muß der Teufel zu erniedrigen suchen; so lang wir hinieden wallen, noch nicht heimgekehrt sind zu der unangefochtenen Ruhe der triumphirenden Kirche, müßen wir immer neben unsrem Maße himmlischer Freude ein ähnliches Maß dämonischer Leiden haben. Aber so richtig diese Begründung an sich ist, so scheint sie doch auf dem Gedanken zu beruhen, als könnte der Teufel seine Feindschaft gegen Gottes Lieblinge nach eigener Macht und ohne Schranken ausüben. Aber gerade das ist ja nicht der Fall. Es mag dem Satan und seinen Engeln Höllenfreude sein, wenn ihnen Raum gegeben wird, ein Kind Gottes anzugreifen, so wie allenfalls ein grausamer Scherge mit Lust daran geht, wenn ihm ein Mensch zur Bestrafung übergeben wird. Allein so wie kein Scherge strafen kann, wen und wie er will, sondern die Macht und Befugnis dazu von andern empfangen muß; so waltet auch über allen dämonischen Anfechtungen und Plagen eine höhere Hand, und wenn kein Haar von unserm Haupt ohne den Willen des himmlischen Vaters fallen kann, so können uns viel weniger die feurigen Pfeile des Bösewichts ohne den Willen des frommen Gottes treffen. Daher müßen wir eine andre Begründung für unsern Satz suchen. Wir suchen nicht lange, denn wir finden leicht. So groß ist die Ehre ein Diener Christi zu sein, und so unaussprechlich das Glück schon in diesem Leben zeitweilig in den Ort der ewigen Freuden entrückt zu werden, daß der HErr selbst, der Freund der Seelen, Seinen Lieblingen ein entsprechendes Gegengewicht auflegt, damit sie vor dem Schaden, den ihre Seele durch Hochmuth leiden könnte, bewahrt bleiben. Die menschlichen Leiden, so groß sie auch seien, reichen doch nicht hin, eine auserwählte Seele vor dem großen Uebel und der Anfechtung des Hochmuths sicher zu stellen; daher braucht Gott die Dämonen und ihre feurige Qual, und mißt einem jeden der Seinen dasjenige Maß von teuflischer Anfechtung zu, das ihm nöthig und nützlich ist. So sagt auch St. Paulus selber; denn wir lesen im 7. Verse des 12. Kap.: „Auf daß ich mich nicht der hohen Offenbarung überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nemlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlage, auf daß ich mich nicht überhebe.“ Sollte aber einer zweifeln, daß dämonische Anfechtungen in den Plan Gottes eingerechnet und eingefügt sind, welchen er für unsre Seelenführung gemacht hat; sollten die eben angeführten Worte des Apostels nicht überzeugend genug sein; so darf man ja nur weiter im Texte lesen. St. Paulus hatte selbst ein solches Grauen vor der dämonischen Anfechtung, unter deren beständiger Qual er die Werke seines Amtes und Berufes auszurichten und die oben besprochenen menschlichen Leiden zu tragen hatte, daß er dreimal inbrünstig den HErrn anflehte, daß der Satan von ihm weichen möchte. In diesem dreifachen Gebete spricht sich ja dreifach seine apostolische Ueberzeugung

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/164&oldid=- (Version vom 1.8.2018)