Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres | |
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das Urtheil solcher zurückhielt, meine innersten Gedanken zu sagen; aber ich empfinde je länger je mehr in mir die ernste Pflicht, die Scheidung zwischen Welt und Kirche durchgreifend und so zu lehren, daß diejenigen, die mir durch Gottes Vorsehung zuhören, ungeirrt von Welt und weltlichem Wesen, die grade Straße zum ewigen Leben finden und gehen können. Es heißt auch hier wie St. Paulus schreibt: „Die Welt ist mir gekreuzigt und ich der Welt.“
Kehren wir von dieser Abschweifung zurück zum Schluße unseres Textes, er reiht sich ohnehin an die Abschweifung an und gibt uns einen Grund mehr an, um deswillen wir auch in Sachen der Literatur, der Kunst und Bildung bei der Kirche Gottes bleiben sollen. „Alles, sagt der Apostel, was ihr thut mit Worten oder Werken, das thut alles im Namen des HErrn JEsu, und danksaget Gott und dem Vater durch Ihn.“ Was ist nun da ausgenommen in unserm Leben, wenn St. Paulus ausdrücklich alles und jedes einschließt, jedes Wort und jedes Werk. Wenn alles und jedes im Namen JEsu geschehen soll und man Gott und dem Vater durch Ihn dabei danken muß, so darf doch nichts im Widerspruch mit dem heiligen Namen stehen, so kann man doch nichts zuläßig finden, wofür man Gott durch Christum nicht danken kann. Du thust eine Sünde, kannst du sie im Namen JEsu thun? Wie paßt die Anrufung des Allerheiligsten zu dem sündlichen Werke? Du genießest eine weltliche Freude, darfst du es wagen, Gott durch JEsum Christum dafür zu danken? Wird dein himmlischer Fürsprecher bei Seinem Vater deinen Dank vertreten, wenn du denselben für etwas aussprichst, deßen du dich vor Ihm schämen solltest? Es gibt wohl verweltlichte Christen genug, die es wagen, ihr Thun mit dem Namen JEsu zu schmücken, und dem HErrn für den Weltgenuß zu danken, welchen er in Hoffnung ihrer Reue und Beßerung wohl zugelaßen, aber niemals und nirgends gebilligt hat. Sie wollen mit frechem Muthwillen den HErrn zwingen, mit ihnen und ihrer Mischung zwischen Gut und Bös, zwischen Kirche und Welt zufrieden zu sein. Sie bemühen sich auf ihren verkehrten Wegen durch Anrufung des Namens JEsu und durch Niederlegung von Dankgebeten in die Hände des ewigen Hohenpriesters ihr schreiendes Gewißen zu stillen. Aber wie lange wird es ihnen gelingen, und wie lange werden sie es fortsetzen können, wenn sie sich nicht muthwillig gegen die beßere Stimme in ihrem Herzen verhärten wollen? Es geht ja nicht, daß ein Brunnen zugleich süß und bitter quille, daß ein Herz zugleich Gott und der Welt diene: Einfalt und Wahrheit fordern Scheidung. Um alles Thun und Reden mit dem Namen JEsu schmücken zu können, muß auch alles des HErrn JEsu würdig werden. Um für alles Gott durch JEsum danken zu können, muß alles, wofür wir danken, eine gute vollkommene Gabe vom Vater des Lichtes, und durch die Hände des gekreuzigten Erlösers vermittelt und dargeboten sein. Wenn wir die Worte des heiligen Paulus in unserm Textesverse erfüllen wollen, muß unser ganzes Leben zu einem Gottesdienste werden, würdig der heiligen Versammlungen, von denen im vorausgehenden Verse die Rede war. Daher kann man wohl sagen, daß in dem letzten Verse unseres Textes der Höhenpunkt der ganzen Epistel erstiegen werde, und wenn uns der ganze Text zeigt, wie die christliche Gemeinde wandeln müße, um im heiligen Vereine ungeirrt von Satans Saat und Verführung bis zu den Pforten des ewigen Lebens zu gelangen, so gibt uns ohne Zweifel das Ende des Textes den einen Punkt an, ohne welchen alle Bemühung zusammenfällt, alle Tugend umsonst ist, und aller Fleiß ohne Frucht. Das Leben muß seine Weihe haben, und über allen unsern Werken der Name JEsu glänzen und glänzen dürfen, Wort und That muß zum Bekenntnis des Gekreuzigten werden, und eben damit muß die Scheidung vollendet werden, die uns allen nöthig ist, wenn wir Gott angehören sollen und wollen.
So geleite uns denn Vertragsamkeit, Liebe, Friede, der Segen unsrer Gottesdienste, die scheidende und erhaltende Macht unseres Bekenntnisses zu Christo in Wort und That, durch’s Leben. Hiedurch wird die Gemeinde schöner als der Mond am Himmel, und schrecklich wie Heeresspitzen; hiedurch geht sie wohl bewahrt und wohl behalten bis zu der ewigen Ruhe und Freude und Herrlichkeit der Auserwählten. Der HErr gebe uns was Ihm gefällt, und verleihe uns Zier und Wehr Seiner heiligen Kirche bis an’s Ende. Amen.
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/142&oldid=- (Version vom 1.8.2018)