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leicht das Gleichnis vom Gericht gefaßt wird, an dem sie gewöhnlich vorgetragen wird, dennoch für die gläubige Erfaßung keine leichte Lehre: das erfahren Pastoren, die wirklich Seelsorge üben, alle Tage. Gerade das aber hat eine doppelte Wirkung: einmal die, daß man anhält mit der Lehre von der Seligkeit allein aus Gnaden, dann aber auch die, daß man mild wird, und sich mit wenigem genügen läßt, auch ein Senfkörnlein des Glaubens achtet, und auch für die noch hofft, die in der elenden Welt auch nur ein wenig Glauben retten. Wenn ich aber bei meinen Pfarrkindern so zu urtheilen und zu hoffen ein Recht habe, bei denen alles so viel beßer sein könnte; warum soll ich denn ein Gleiches nicht thun dürfen in Anbetracht der alten, um ihrer Liebe zu Christo willen berühmten Leute, denen kein Reformator Luther und kein 16. Jahrhundert zu Hilfe gegeben war? Wenn ich die Lehre der Römischen beurtheile, so werde ich mit gleicher Schärfe verfahren, wie meine Brüder; bei der Beurtheilung der Personen aber urtheile ich nicht wie einer, der das ganze Jahr bloß mit der Lehre zu thun hat, sondern wie ein alter Pfarrer, der so viele Jahre lang in der Kirche, dem Hospitale Christi auf Erden, dient, und den nicht allein die Liebe Christi, sondern auch die Hoffnung auf das Gelingen des eigenen Amtes dazu treibt, fein säuberlich zu fahren und nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Ich weiß, daß man heutzutage von dem Satze, daß eine Verwandtschaft unter den Christen sei, die nicht der gleichen Confession angehören, eine Anwendung gegen