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zehn Pfund des Drachensteins bereitet. Auch danach muß man jemand schicken.“

Der Kaiser sandte Boten aus. Die trafen einen Schüler jenes Heiligen und erlangten von ihm zwei Splitter Drachenstein.

Der Weise sprach: „Das ist der Rechte.“

Abermals vergingen einige Monate, da ward auch eine Pille Drachenhirnduft herbeigeschafft. Der Kaiser war hocherfreut und ließ durch seine Juweliere aus dem feinsten Jaspis zwei kleine Büchsen schneiden. Die wurden mit der Asche des Wutung-Baumes poliert. Dann ließ er aus dem besten Hohlgrün eine Essenz bereiten, die mit Meerfischleim verklebt und im Feuer gehärtet wurde. Zwei Vasen wurden daraus gemacht. Dann ließ er die Boten sich an Leib und Kleidern mit Baumwachs einreiben und gab ihnen fünfhundert geröstete Schwalben mit.

So gingen sie in die Höhle hinein. Als sie ans Drachenschloß kamen, da roch der kleine Drache, der die Tür verwahrte, das Baumwachs. Er duckte sich und tat ihnen nichts. Da gaben sie ihm hundert geröstete Schwalben als Bestechung, daß er sie bei der Drachentochter meldete. Sie wurden vorgelassen und brachten die Hohlgrünvasen und die Jaspisbüchsen und die vierhundert gerösteten Schwalben als Geschenk dar. Die Drachentochter nahm sie gnädig auf, und sie entfalteten den Brief des Kaisers.

Im Schlosse war ein tausendjähriger Drache, der konnte sich in einen Menschen verwandeln und verstand es, die Menschensprache zu dolmetschen. So erfuhr denn die Drachentochter, daß der Kaiser ihr das Geschenk gemacht, und sie erwiderte es mit einer Gabe von drei großen Perlen, sieben kleinen Perlen und einem ganzen Scheffel gewöhnlicher Perlen. Die Boten verabschiedeten sich, ritten auf einem Drachen mit ihren Perlen davon und waren im Augenblick am Ufer des Yangtsekiang angelangt. Sie begaben sich nach Nanking, der kaiserlichen Hauptstadt, und übergaben dort die Perlenkleinodien.

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_151.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)