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Toben von Flut und Wellen. Im Nu ließ sich der Vogel auf einer Insel nieder. „Nun sind wir da“, sagte er.

Da machte der Kleine die Augen auf und blickte um sich; da sah er allenthalben Glanz und Glimmer, lauter gelbe und weiße Sachen. Er nahm von den kleinen Stücken etwa ein Dutzend und barg sie in seinem Busen.

„Ist es genug?“ fragte der Vogel Rokh.

„Ja, ich habe genug“, antwortete er.

„Gut so“, sagte der Vogel, „Genügsamkeit schützt vor Schaden.“

Dann nahm er ihn wieder auf den Rücken und trug ihn übers Meer zurück.

Als der Kleine nach Hause kam, da kaufte er sich mit der Zeit ein gut Stück Land und ward recht wohlhabend.

Sein Bruder aber ward neidisch auf ihn und fuhr ihn an: „Wo hast du denn das Geld gestohlen?“

Der Kleine sagte ihm alles der Wahrheit gemäß. Da ging der Große heim und hielt mit seinem Weibe Rat.

„Nichts leichter als das“, sagte das Weib. „Ich koche einfach wieder Getreide und behalte ein Korn zurück, daß es nicht gar wird. Das säst du aus, und wir wollen sehen, was geschieht.“

Gesagt, getan. Und richtig kam ein einzelner Halm hervor, und richtig trug der Halm eine einzelne Ähre, und als es Zeit zur Ernte war, kam wieder der Vogel Rokh und trug sie in seinem Schnabel davon. Der Große freute sich und lief ihm nach, und der Vogel Rokh sprach wieder dieselben Worte wie das vorige Mal und trug den Großen nach der Insel. Dort sah der Große Gold und Silber ringsum angehäuft. Die größten Stücke waren wie Berge, die kleinen waren wie Ziegelsteine und die ganz kleinen wie Sandkörner. Es blendete ihn ganz in den Augen. Er bedauerte nur, daß er kein Mittel wußte, Berge zu versetzen. So bückte er sich denn und hob an Stücken auf, was er konnte.

Der Vogel Rokh sprach: „Nun ists genug! Es geht dir über die Kraft.“

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_004.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)