Wirkung aufstellte, glaubte er ein besonderes teleologisches Gesetz der Natur erkannt zu haben. Erst Jacobi hat mit allem metaphysischen Beiwerk bei dem Prinzip der kleinsten Wirkung aufgeräumt und klar gezeigt, daß es sich um eine mathematische Formulierung der Gesetze der Mechanik handele. Auch die Relativitätstheorie ist nichts anderes als eine mathematische Darstellung von Eigenschaften, die den Naturgesetzen zukommen sollen. Ebensowenig wie wir aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung besondere metaphysische Absichten der Natur erschließen können, können wir aus der Relativitätstheorie irgend etwas ableiten, das über das physikalische Geschehen hinausgeht.
Die Relativitätstheorie ist nichts anderes als ein mathematisches System der theoretischen Physik, aus dem sich durch die Erfahrung zu prüfende physikalische Folgerungen ergeben. Hieran wird auch dadurch nichts geändert, daß das Relativitätsprinzip selbst der Erkenntnistheorie entstammt.
Die Relativitätstheorie selbst ist eine physikalische. Schon bei der speziellen Theorie brauchen wir außer der Forderung, daß keine absolute Bewegung beobachtbar sein darf, noch die Annahme der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, die dann aber in der allgemeinen Theorie gleich wieder aufgegeben werden muß. Diese selbst ist dann nichts anderes als ein System von Differentialgleichungen, wie die Mechanik und die elektromagnetische Theorie.
Wirkliche Einwände gegen die Relativitätstheorie können daher nur von dreierlei Art sein. Entweder man muß innerhalb des mathematischen Systems der Theorie Widersprüche aufdecken. Oder man muß zeigen, daß sie zu Folgerungen führt, die mit der Erfahrung nicht übereinstimmen oder schließlich muß man den Nachweis führen, daß sie sich wegen der Preisgabe einfacher Grundsätze zur endgültigen Darstellung der Naturvorgänge nicht eignet.
Die vielen erkenntnistheoretischen Einwände, die erhoben worden sind und noch erhoben werden, treffen die Theorie, als eine physikalische nicht. Nur die Physik kann entscheiden, ob sie richtig und für die Errichtung des physikalischen Weltbildes zweckmäßig ist.
Es kommt sehr darauf an, die physikalische Relativitätstheorie
Wilhelm Wien: Die Relativitätstheorie vom Standpunkte der Physik und Erkenntnislehre. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1921, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WienRel.djvu/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)