Seite:Was die Heimat erzählt (Störzner) 432.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

oder Jißnitzky, welcher die Belagerung des Sonnensteines leitete, von den Bürgern Schandaus Kähne und Schiffsknechte gefordert. Da ergrimmte derselbe und sandte eines Tages von Pirna aus einige mit Kriegern besetzte Schiffe hinauf nach Schandau und verlangte (unter Bedrohung des Ausplünderns und Anzündens der Stadt) „50 frische Schiffsleute.“ Doch der Führer der Schweden fand das Städtchen fast leer. Die meisten Bewohner, vor allen Dingen die Schiffer, waren beim Herannahen des Feindes in die umliegenden Wälder geflüchtet – und hielten sich in den Schluchten und Gründen der Umgegend verborgen. Da erzürnte der schwedische Feldherr gar sehr und erklärte, daß er, wenn er nicht Schiffsknechte bekäme, Schandau ausplündern und dann an allen Ecken anbrennen lassen werde. Er wolle nicht eher mit seinen Leuten Schandau verlassen, bis alles ein Aschehaufen sei. Diese Aeußerung des schwedischen Führers verbreitete unter den noch anwesenden Bewohnern Schandaus, unter denen sich auch der Bürgermeister Piersig befand, einen nicht geringen Schrecken. Das Stadtoberhaupt kam herzu und erklärte dem Befehlshaber der Schweden, daß der gestellten Anforderung unmöglich nachgekommen werden könne, da tatsächlich alle Schiffer in die Büsche entwichen wären. So mußten die Schweden ohne Schiffsknechte wieder abziehen, sie legten aber vorher Feuer an, das jedoch bald wieder von den Schandauern erstickt wurde. Den Bürgermeister Piersig banden die Schweden und nahmen ihn mit. Sie gaben denselben erst dann wieder frei, als die Schandauer das Schiff, welches die Schweden aus Mangel an Schiffsknechten hatten stehen lassen müssen, zu ihnen nach Pirna brachten.

Da die Schandauer sich durchaus nicht bewegen ließen, Botendienste den Schweden zu leisten und Schiffsknechte zu überlassen, so wurde das Städtchen wiederholt geplündert und hart bedrängt. Durch diese häufigen Plünderungen wurden aber endlich sämtliche Vorräte erschöpft. Die Folge davon war der Ausbruch einer Hungersnot. Die Häuser standen fast alle leer; denn die meisten Bewohner blieben draußen in den Bergen, um nicht den Qualen von seiten der Schweden ausgesetzt zu sein; denn die in der Stadt Zurückgebliebenen wurden Tag für Tag schwer geängstigt. – Die Schandauer standen bei den Schweden auch in dem Verdachte, Verräter an den Schweden zu sein. Man glaubte von ihnen, daß sie dem Kommandanten der Festung Königstein stets geheime Meldungen machten, wenn schwedische Truppen und Transporte die Elbe hinabgingen. Mehrere Male legten die Schweden Feuer an, um das ihnen verhaßte Städtchen zu vernichten. Aber der Ausbruch des Feuers wurde rechtzeitig entdeckt und das Feuer erstickt. Eine größere Ausbreitung wurde verhindert. Angstvolle Wochen durchlebten die Schandauer. Endlich schlug ihnen die Stunde der Erlösung und zwar mit dem Aufbruche des schwedischen Lagers am 25. September 1639. Die Schweden zogen nach Böhmen und nahmen Standquartier in Leitmeritz. Nach und nach kehrten die entwichenen Bürger, soweit sie nicht vom Nervenfieber und anderen tückischen Krankheiten dahingerafft worden waren, nach Schandau zurück. Als die evangelischen Familien aus Böhmen auswanderten, wandten sich mehrere derselben auch nach Schandau. Diese wurden hier herzlich willkommen geheißen und ersetzten die zurückgegangene Zahl der Bürger wieder.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_432.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)