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bereiteten zur Bestürmung von Kamenz alles vor. Am 4. Oktober wurde die Stadt von den Hussiten wiederholt berannt, aber Tore und Mauern erwiesen sich als stark und fest genug. Dazu kam noch die Umsicht und Tapferkeit der Bürger. Von allen Türmen, Bastionen und Mauern hagelten Steine und Geschosse auf die anstürmenden Feinde nieder. Hunderte wurden niedergestreckt. Der Tag verging, und die Nacht brach an. Die heldenmütigen Bürger bereiteten alles vor auf einen neuen und heftigeren Angriff der Hussiten. Diese Umsicht war gut gewesen; denn schon am frühen Morgen des 5. Oktober gingen die wütenden Feinde wiederum zum Angriff vor. Die Hussiten schleppten Sturmleitern herbei, um mit Hilfe derselben die Mauern der Stadt zu übersteigen, aber die Bürger von Kamenz verdoppelten ihre Kräfte. Selbst Frauen und Kinder nahmen an der Verteidigung

Kamenz im 16. Jahrhundert.

der Stadt lebhaften Anteil. Sie schleppten Steine, siedendes Pech und brennenden Schwefel herbei und schleuderten große Massen von der Stadtmauer hinab auf die grimmigen Feinde, welche an den Sturmleitern emporzuklettern versuchten. Es war ein mörderischer Kampf, aus dem die wehrhaften Kamenzer abermals als Sieger hervorgingen. Am 6. Oktober bestürmten die Hussiten Kamenz von neuem und zwar mit großem Mute, aber auch diesmal unterlagen sie der heftigen Gegenwehr. Der Tod hielt unter den Hussitten eine reiche Ernte, und die Schar schmolz sichtlich zusammen. Freilich der Tod hatte auch unter den heldenmütigen Kamenzern manches Opfer gefordert. Viele waren ferner schwer verwundet und konnten an der Verteidigung der so sehr bedrohten Vaterstadt sich nicht mehr beteiligen. Doch die Bürger von Kamenz waren auch diesmal die Sieger im Kampfe geblieben. Da der Feind nicht in die Stadt einzudringen vermochte, so zerstörte er die außerhalb der Ringmauer liegenden Gebäude durch Brand. Auch die am Schloßberge stehenden Häuser wurden ein Raub der wütenden Flammen. Von dem tagelangen Kampfe waren die Bürger freilich sehr ermüdet, und der Schlaf forderte seine Rechte. Ein großer Teil der Einwohner gab sich der Ruhe hin, während der andere Teil treulich Wache hielt; denn daß der Kampf noch nicht zu Ende sei, sagten sich alle. So nahte die Mitternacht, und die ruhende Stadt sollte jetzt Furchtbares erleben. Die

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_291.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)