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Es befindet sich unter dem nördlichen Felsen, auf dem die Ruine des ehemaligen Jagdschlosses ruht, ein unterirdischer, gewölbter Gang. Derselbe soll hinüber nach dem kleinen Keulenberge führen. Verschiedene Leute sind früher in ihn vorgedrungen, mußten aber, da die Fackeln infolge der hier unten angehäuften Stickluft verlöschten, wieder umkehren. Seit einer Reihe von Jahren ist der Eingang zu jenem unterirdischen Gange vermauert worden. –

Auf dem großen Keulenberge soll auch ein Schatz vergraben liegen, der noch auf die Aufhebung wartet. Bewacht wird der Schatz, wie die Leute sich erzählen, von einem feuerigen Ziegenbocke und von vielen Zwergen. Auch erzählt man, daß einst auf dem Keulenberge ein großer Kriegsschatz vergraben worden sei. Man vermutet, daß die früheren Besitzer des Rittergutes und Schlosses in Oberlichtenau zur Kriegszeit hier oben ihre Schätze vor den die Dörfer und Städte plündernden Feinden durch Vergraben in Sicherheit gebracht haben. Ob diese Schätze wieder gehoben worden sind, ist nicht bekannt. Allgemein ist in der dortigen Gegend aber der Glaube verbreitet, daß jene Schätze noch auf den glücklichen Finder warten. Als vor Jahren oben auf dem großen Keulenberge neben dem im Jahre 1862 erbauten Restaurant eine Kegelbahn angelegt wurde, fand man eine Anzahl Münzen von seltsamer Form. Die meisten derselben waren Engelsgroschen, Silbermünzen, die unter den sächsischen Fürsten in der Zeit von 1497–1559 geprägt wurden. – An das Vorhandensein von vergrabenen Schätzen auf dem Keulenberge erinnert auch folgende Sage:

Vor Jahren fuhr ein Bauer aus dem nahen Dorfe Gräfenhain auf einem Wagen Holzscheite nach Pulsnitz, um dieselben an die dortigen Töpfer zu verkaufen. Die Geschäfte gingen auch gut, und der Mann setzte seine Holzscheite für einen hohen Preis ab, so daß er frohgelaunt im nächsten Gasthause sich einen frischen Trunk gönnte. Hier saßen verschiedene Bürger aus Pulsnitz, die er kannte und die eben ein gemütliches Spielchen machten. Der Fuhrmann sah dem Spiel eine kurze Zeit zu und bekam bald Lust, mitzuspielen. Die Freunde waren einverstanden. Es dauerte aber gar nicht lange, so hatte der Bauer sein für die Holzscheite gelöstes Geld verspielt, und mißmutig und mit sich selbst nicht mehr einig, trat er seine Heimfahrt an. Es war bereits Nacht, als er aus Pulsnitz hinausfuhr. Unterwegs überlegte der Bauer, was er daheim wohl sagen solle, wenn seine Frau nach dem Gelde fragen werde; denn daß er es verspielt hatte, das durfte sie doch nicht erfahren, da es ihm sonst nicht gut ergehen könnte. Doch wie er auch sann, ihm kam kein rettender Gedanke. Schon war er am Fuße des Keulenberges angekommen, über den sein Weg ihn führte. Da sieht der Bauer, daß vor ihm her ein graues Männchen geht, endlich stehen bleibt und ihn fragt, ob es nicht auf dem Wagen mit Platz nehmen dürfe. Der Bauer nickt zustimmend, und das Männchen steigt auf. Da fragt der Fahrgast den Fuhrmann, woher er denn komme, und warum er so traurig sei. Der Bauersmann klagt ihm seine Not. „Nun“, spricht das Männlein, „Ihr könnt Euch ja leicht helfen. Seht, hier stehen noch viele Scheite im Walde, ladet doch diese auf, nehmt sie mit heim und sagt zu Eurer Frau, daß die Pulsnitzer kein Holz gebraucht hätten.“ Dieser wohlgemeinte Vorschlag gefiel dem Bauer, und das Männlein kam ihm vor wie ein rettender Engel. Schnell entschlossen stieg der Bauer vom Wagen und lud die Scheite, welche gerade am Wege standen, auf, die er dann gelegentlich schon wieder an Ort und Stelle zu bringen gedachte, um nicht

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_274.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)