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wir der Erläuterung derselben Erscheinung auf dem Felde der Religion und Politik gänzlich vorüberzugehen. In der Religion sind uns die Juden längst keine hassenswürdigen Feinde mehr, – Dank allen Denen, welche innerhalb der christlichen Religion selbst den Volkshaß auf sich gezogen haben! In der reinen Politik sind wir mit den Juden nie in wirklichen Conflict gerathen; wir gönnten ihnen selbst die Errichtung eines jerusalemischen Reiches, und hatten in dieser Beziehung eher zu bedauern, daß Herr v. Rothschild zu geistreich war, um sich zum König der Juden zu machen, wogegen er bekanntlich es vorzog, ‚der Jude der Könige‘ zu bleiben. Anders verhält es sich da, wo die Politik zur Frage der Gesellschaft wird: hier hat uns die Sonderstellung der Juden seit ebenso lange als Aufforderung zu menschlicher Gerechtigkeitsübung gegolten, als in uns selbst der Drang nach socialer Befreiung zu deutlicherem Bewußtsein erwachte. Als wir für Emancipation der Juden stritten, waren wir aber doch eigentlich mehr Kämpfer für ein abstractes Princip, als für den concreten Fall: wie all unser Liberalismus ein nicht sehr hellsehendes Geistesspiel war, indem wir für die Freiheit des Volkes uns ergingen, ohne Kenntniß dieses Volkes, ja mit Abneigung gegen jede wirkliche Berührung mit ihm, so entsprang auch unser Eifer für die Gleichberechtigung der Juden viel mehr aus der Anregung eines allgemeinen Gedankens, als aus einer realen Sympathie; denn bei allem Reden und Schreiben für Judenemancipation fühlten wir uns bei wirklicher, thätiger Berührung mit Juden von diesen stets unwillkürlich abgestoßen.

Hier treffen wir denn auf den Punkt, der unsrem Vorhaben uns näher bringt: wir haben uns das unwillkürlich Abstoßende, welches die Persönlichkeit und das Wesen der Juden für uns hat, zu erklären, um diese instinctmäßige Abneigung zu rechtfertigen, von welcher wir doch deutlich erkennen, daß sie

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Richard Wagner: Das Judenthum in der Musik (1869). J.J. Weber, Leipzig 1869, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wagner_Das_Judenthum_in_der_Musik_1869.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)