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wegwerfenden Tone, mit welchem allgemein über Denjenigen, dem man vor aller Welt wahre Verehrung und hohes Vertrauen erweist, gesprochen wird, betroffen? Ueberall und in jedem Verhältnisse, welches zu complicirten Unternehmungen verwendet werden soll, sind die ganz natürlichen Elemente der Mißgunst der Unbetheiligten (oder auch der zu nahe Betheiligten) vorhanden: wie leicht wird es nun durch jenes geringschätzige Benehmen der Presse diesen Allen gemacht, das Unternehmen selbst im Auge seiner Gönner bedenklich erscheinen zu lassen? Kann so Etwas einem vom Publicum gefeierten Franzosen in Frankreich, einem acclamirten italienischen Tonsetzer in Italien begegnen? Was nur einem Deutschen in Deutschland widerfahren konnte, war so neu, daß die Gründe davon jedenfalls erst zu untersuchen sind. Sie, verehrte Frau, verwunderten sich darüber; die bei diesem anscheinenden Kunstinteressenstreite übrigens Unbetheiligten, welche sonst jedoch Gründe haben, Unternehmungen, wie sie von mir ausgehen, zu verhindern, verwundern sich aber nicht, sondern finden Alles recht natürlich.[1]


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Richard Wagner: Das Judenthum in der Musik (1869). J.J. Weber, Leipzig 1869, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wagner_Das_Judenthum_in_der_Musik_1869.pdf/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)

  1. Sie können sich hiervon, und von der Art, wie die zuletzt von mir Bezeichneten den in meinem Betreff aufgebrachten Ton des Weiteren zu den Zwecken der Verhinderung jedes meine Unternehmungen fördernden Antheiles benutzen, einen recht genügenden Begriff verschaffen, wenn Sie das Feuilleton der heurigen Neujahrsnummer der „Süddeutschen Presse”, welche mir soeben aus München zugeschickt wird, zu durchlesen sich bemühen wollen. Herr Julius Fröbel[WS 1]denuncirt mich da dem bayerischen Staatswesen ganz unbeirrt als den Gründer einer Secte, welche den Staat und die Religion abzuschaffen, dagegen alles Dieses durch ein Operntheater zu ersetzen und von ihm aus zu regieren beabsichtigt, außerdem aber auch Befriedigung „muckerhafter Gelüste” in Aussicht stellt. – Der verstorbene Hebbel[WS 2] bezeichnete mir einmal im Gespräche die eigenthümliche Gemeinheit des Wiener Komikers Nestroy[WS 3] damit, daß eine Rose, wenn dieser daran gerochen haben würde, jedenfalls stinken müßte. Wie sich die Idee der Liebe, als Gesellschaftsgründerin, im Kopfe eines Julius Fröbel ausnimmt, erfahren wir hier mit einem ähnlichen Effect. – Aber begreifen Sie, wie sinnvoll so Etwas wiederum auf die Erweckung des Ekels berechnet ist, mit welchem selbst der Verleumdete sich von der Bestrafung des Verleumders abwendet?

  1. Julius Fröbel (1805–1893), deutscher Politiker und Schriftsteller.
  2. Friedrich Hebbel (1813–1863), deutscher Schriftsteller.
  3. Johann Nestroy (1801–1862), österreichischer Schauspieler, Sänger, Dramatiker und Satiriker, schrieb Parodien auf Wagners Libretti: Tannhäuser oder Die Keilerei auf der Wartburg (Uraufführung: Wien, 31. Oktober 1857, bei der Nestroy selbst den Landgrafen Purzel spielte und sang) und Lohengrien – Musikalisch-dramatische Parodie in vier Bildern (Uraufführung: Wien, 31. März 1859, ebenfalls unter Mitwirkung Nestroys).